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Von LUTZ STORDEL

  • Lesedauer: 3 Min.

Prüfstand stehen. Das Ende ist, als realistisch pessimistische Weltsicht, bekannt.

Die Regisseurin unterläßt es diesmal, den Text zu zerstören. Statt dessen ironisiert sie Müller dort, wo die komprimierten Aussagen dem Zuschauer ohnehin keine Chance lassen. Als die Heim-Pflegerin (grandios: Marylu Poolmann) ihre Revolutionsattitüde („Ich bin der Engel der Verzweiflung/mit meinen Händen teile ich den Rausch aus“) abläßt, verteilt sie gerade die abendliche Suppe. Der Bauer Galloudec, von dem in Leipzig jahrelang im Abseits stehenden Dieter Jaßlauk mit menschlicher Wärme ausgestattet, darf schlicht antworten, was ein Bauer bei diesen Müller-Versen denkt: „Das versteh ich nicht.“

Alsbald wird aus dem eingefädelten Spiel („Meuterei auf der Bounty“) ein bitterböses. Menschen scheitern an ihren zu großen Aufgaben, der Mann im Fahrstuhl (Wilhelm Eilers kann sich in seinen Schuhen umdrehen) zitiert seinen Monolog als Comedy-Nummer. Als im Fernseher des Pflegeheimes ein Dirigent als überzeugender Orchesterleiter zu sehen ist, versucht Debuisson (Friedhelm Eberle) vergeblich, nach dem Bildschirm zu greifen: Das Gerät/der Mann hängt zu hoch, oben über der Tür.

Schizophrenie als Endpunkt. Je dichter die Müller-Szenen werden, umso schwerer wird es den Akteuren, zwischen Rolle und Patientenleben zu unterscheiden. Die zur Haut gewachsenen Masken (um Sasportas als Schwarzen zu cha-

rakterisieren, genügt ein gleichfarbiger Mantel) - letztlich nur ein Alptraum? In der Schlußszene des Abends liegen Galloudec und Debuisson auf ihren Betten, letzterer wird aus dem Schlaf gerissen und weckt seinen Zimmer-Genossen. „Hat jemand DDR gesagt“, spricht dieser den letzten Satz des Abends.

Konstanze Lauterbach war in den letzten drei Jahren oft in die Kritik geraten, in Inszenierungen wie „Einsame Menschen“ oder „Werther“ wurde ihr oft zu starkes Verharren in privater Befindlichkeit vorgeworfen. „Der Auftrag“ aber ist ein verblüffend genaues, konzeptionell ausgefeiltes Gesellschafts-Spiel geworden.

Und vor allem zu einem Fest für die Schauspieler Während

Marylu Poolmann nur den Mund aufzumachen braucht, um den Zuschauer ins Staunen zu versetzen, gelingen auch Friedhelm Eberle (Debuisson) und Matthias Brenner (Sasportas/Pfleger/Matrose) subtile, tragikomische Szenen, läuft Dieter Jaßlauk zu einer bei ihm nie gesehenen Schauspielerpersönlichkeit auf. Heidrun Maria Breier ist, entgegen den Müllerschen Intentionen, nicht als dickes, verbrauchtes Weib von Antoine (Gert Gütschow) besetzt - sie ist die einzig Jugendliche im Ensemble.

Das Gelingen des Abends ist sicherlich auch dem Umstand zu verdanken, daß die Regisseurin mit diesem unter ihrer Hand unverbrauchten Ensemble arbeiten wollte. Sie nimmt sich zurück - auch wenn Debuisson auf seinen Ruf, „Ich will meinen Teil vom Kuchen dieser Welt“, eine ganze Torte bekommt. Doch Sasportas drückt sie ihm eben nicht ins Gesicht, sondern an die Brust.

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