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SCHEIBENWEISE,

Puhdy-Punk Sampler

  • Lesedauer: 4 Min.

Die Mecklenburger Bands Dritte Wahl und Fuckin' Faces kamen auf die Idee, die legendären Puhdys durch einen zeitgemäßen Punkverschnitt zu krönen. Schließlich hätten die Altrocker ihrer Umwelt »stets ganz gute, witzige Songs« geschenkt. Au-ßerdem sei die Zeit reif für eine »waschechte Geschichtsaufarbeitung«. Also verpflichtete das Rostocker Label Amöbenklang zehn junge Bands aus Ost und West, die sich nun mit ihrer CD »Puhdys 25 Jahre - wir feiern mit« als Verjüngung der Altherrenriege empfehlen, nachdem Harry »Keiner bewegt sich« Jeske aus gesundheitlichen Gründen die Bassistenklampfe aus dem Verstärker entstöpselt und an den Nagel gehängt hat. Würden die Puhdys heute nochmal geboren, klängen sie lauter, schriller und härter. Wenn Hans am Felsen aus Berlin den »Ikarus« aufsteigen läßt, dröhnen die Gitarren ohrenbetäubend zu hastigen Trommelschlägen und krächzender Stimme. Der Hörer hat Angst, daß der Ikarus schneller als gewollt verendet. Dritte Wahl verwurstet »Wenn ein Mensch lebt« sanfter. Müllstation aus Halle folgen dagegen brav der Puhdys-Version von den »Jahreszeiten«. Das Leipziger Abfallsozialprodukt aber verwandelt respektlos die »Rokkerrente« mit hingehauchtem Sprechgesang und feurigen Beats in einen Spastic Dance-Mix, dem sich kein Tänzer entziehen mag. Ob die im Booklet vor die Abfallsozialprodukt-Namen gesetzten Kürzel »IM« als Anspielung auf Puhdy-Meyers Schnüffelnase solidarisch oder ketzerisch gemeint sind, bleibt

offen. Bertz' Rache aus Berlin verrocken »Alt wie ein Baum« augenzwinkernd. Die arbeitsscheuen Ostler aus dem Prenzlauer Berg mit Namen Fluchtweg werden melodiös-traurig bei »Doch die Gitter schweigen«. Die wahre Geschichtsbetrachtung aber liefert AAARGH! aus Berlin mit »Lebenszeit«. Schade nur, daß der zitierte Walter Ulbricht nicht in die Zeit der Puhdys paßt. Mit Onkel Honecker aber könnten die alten Rocker singen: »Sie hielten zueinander - auf Lebenszeit«. (Amöbenklang)

konsequent jeglicher Schublade. Mal spielen die lustigen Musikanten zum Reggae auf, mal servieren sie ein Schlagerliedchen und öfter Rockmusik mit Powergitarren. Rächen wollen sich die Jungs mit ihren Liedern an Sesselhockern, Esoterikern, Therapeuten und sonstigen Info-Eliten. Sie möchten eben anders sein. Ihr Herz schlägt dafür kräftig für Minderheiten wie Stotterer, Schwarzfahrer und Tauben, die von bösen Menschen immer noch abgeknallt werden. Am liebsten hängen die Verweigerer der Konsumgesellschaft entspannt in der (sozialen?) Hängematte - und »schaun Mädchen unters Mieder/ verspieln uns immer wieder/ und präsentieren den Star (wen?)«. Dank der witzigen deutschsprachigen Texte und der einfach gestrickten (aber nicht primitiven) Melodien eignet sich Bert'z Rache hervorragend als Stimmungsaufheller für pessimistische Stunden und langweilige Parties. (Buschfunk)

Zeit und Raum ihre Gefühle spontan und mitunter naiv in Text und Musik zu packen. Die mit harten Grooves untersetzten Songs versprühen das Flair des immer hektischer werdenden Getrieben-Seins, der wachsenden Zerrissenheit und der rasanten Entwicklung im sich verändernden Berlin: Keiner weiß, was wird. Entscheidend ist, was jetzt ist. de Buffdicks, so sagt die Band, die ihre Musik als Lautmalerei bezeichnet, »steht wohl für unseren kleinen inneren Schweinehund, die Stimmen, die in uns flüstern, das Geflecht aus Engelchen und Teufelchen, eben all das Hick Hack, Bimmel Bammel, Buff Baff, das wir täglich mit uns rumschleppen, so als würde irgendetwas mit einem Holzbein in deinem Kopf rastlos auf- und abgehen.« Davon wollen sich Bobking Gläser (bg, g, voc), Christian G. (dr, perc) und Marc Teloy (vov, sampler) befreien, die statt mit klassischem Instrumentarium viel mit interessanten Samples arbeiten, de Buffdicks kommt übrigens aus dem Holländischen und heißt so viel wie »Die Knallschwänze«. Tatsächlich begann die Geschichte der Band mit einem Knall: 14 Tage nach Gründung hatten die Jungs bereits einen Plattenvertrag in der Tasche. Querelen allerdings führten zu zahlreichen Umbesetzungen, so daß die CD erst zweieinhalb Jahre später erscheinen konnte. Zwischendurch kürte das Berliner Publikum de Buffdicks zur beliebtesten Stadtband. Entweder kommt nun der Knall, der die Band wieder auseinandertreibt - oder der Knall, der neue Songs entstehen läßt. Ein interessanter Tupfer in der keineswegs zu farbigen Deutschrockszene ist de Buffdicks schon mal. (K&P Music)

Christine Wagner

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