Arbeitsrecht: Zu hohe Reisekosten abgerechnet - Abmahnung oder Kündigung?

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Rechnet ein Arbeitnehmer überhöhte Reisekosten ab, darf der Arbeitgeber nicht sofort von einem Betrug ausgehen und dem Mitarbeiter fristlos kündigen. Wenn die Angaben jederzeit leicht nachzuprüfen sind und der Angestellte bis dahin unbescholten war, muss der Chef ihn vielmehr zuerst abmahnen. Das hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschieden. Wie der Anwalt-Suchservice - Rufnummer (0180)5254555 - berichtet, hatte ein Verkaufsleiter aus der Baubranche für 53 seiner innerhalb von drei Jahren unternommenen Dienstreisen zu viele Kilometer berechnet. Insgesamt waren es 916 km, für die er 274 Euro erhielt. Für seinen Chef Grund genug, den Mitarbeiter wegen Betruges fristlos zu entlassen. Und dies nach 36-jähriger Betriebszugehörigkeit. Der Verkaufsleiter wehrte sich gegen die Kündigung. Seiner Ansicht nach habe es sich nur um ein Versehen gehandelt. Er habe sich bei insgesamt 136000 dienstlich gefahrenen Kilometern lediglich um rund 900 km vertan. Niemals habe er versucht, etwas zu verschleiern. Der Mann zog vor Gericht und bekam Recht. Die Richter am Landesarbeitsgericht Niedersachsen sahen in der falschen Kilometerangabe des Mitarbeiters nur eine Nachlässigkeit und keinen Abrechnungsbetrug. Dafür spreche, dass der Verkaufsleiter alle Zielorte seiner Dienstreisen stets korrekt benannt habe. Und dies, obwohl er wusste, dass Unregelmäßigkeiten bei Wirtschaftsprüfungen jederzeit hätten festgestellt werden können. Der Arbeitgeber, so die Richter, hätte außerdem wegen des langjährigen, unbelasteten Arbeitsverhältnisses mit einer Abmahnung anstatt mit einer fristlosen Kündigung reagieren müssen. (Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 4.6.2004 - Az.: 10 Sa 198/ 04) Die Abmahnung ist bekanntlich ein letztes Signal des Arbeitgebers - danach droht bei erneutem Fehlverhalten die Kündigung. Spricht der Arbeitgeber eine Abmahnung aus, ist der Schrecken beim Betroffenen oft groß. Doch folgt der Abmahnung nicht automatisch die Kündigung. Es handelt sich vielmehr um ein letztes Warnsignal des Chefs. Im Folgenden ein kurzer Überblick über die rechtliche Lage: Spricht ein Arbeitgeber eine Abmahnung aus, will er seinem Angestellten unmissverständlich klar machen, dass er ein bestimmtes Verhalten für vertragswidrig hält. Dabei kann es sich zum Beispiel um ständige Unpünktlichkeit oder die private Internetnutzung am Arbeitsplatz handeln, sagt der Professor für Arbeitsrecht an der Fachhochschule Frankfurt am Main, Peter Wedde. Wiederholt der Arbeitnehmer trotz Abmahnung sein Fehlverhalten, kann der Arbeitgeber ihm kündigen. Damit die Abmahnung tatsächlich gültig ist, muss der Arbeitgeber einen konkreten Vertragsverstoß oder Fehlverhalten benennen. Wenn der Arbeitnehmer also wiederholt unpünktlich kommt, muss die Abmahnung die Tage benennen, an denen der Arbeitnehmer verspätet erschien, so Wedde. Zudem muss der Arbeitgeber deutlich ausdrücken, wie sich aus seiner Sicht der Kritisierte künftig verhalten soll. Schließlich muss die Abmahnung, um wirksam zu sein, auch die Kündigungsdrohung enthalten. Abmahnungen dürfen nur von Vorgesetzten ausgesprochen werden, die über entsprechende personelle Befugnisse verfügen oder die auch Kündigungen oder Versetzungen aussprechen können. Die Aussprache einer Abmahnung ist an keine bestimmte Form gebunden und kann deshalb schriftlich oder mündlich erfolgen. Da der Arbeitgeber im Streitfall die Erteilung einer Abmahnung beweisen muss, erfolgt sie im Regelfall aber schriftlich. Die Abmahnung wird dann der Personalakte beigefügt. Je nach Schwere des Vorwurfs wird sie daraus nach zwei bis drei Jahren entfernt. Ist die Abmahnung aus Sicht des Arbeitnehmers ungerechtfertigt, kann er ihre Rücknahme und ihre Entfernung aus der Personalakte vor dem Arbeitsgericht beantragen. Hilfe bietet der Betriebsrat, bei dem sich der Arbeitnehmer beschweren kann. Bei weniger schweren Verletzungen des Arbeitsvertrages kann der Arbeitgeber zunächst eine Ermahnung aussprechen. Im Unterschied zur Abmahnung ist eine Ermahnung im Sinne des Kündigungsschutzes unverbindlich.

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