- Kultur
- ULRICH PLENZDORF: »Eins und eins ist uneins«
Mit Lust, mit Wut
Texte von Uli Plenzdorf die sind nun einfach richtig gut. Und rar. Und schön sind sie auch. Ich fange mal von hinten an, bei den nachgereichten Gedichten in diesem raffiniert plausiblen Buch, das der Eulenspiegel Verlag herausbringt. Beim Lesen beschleicht einen manchmal das Glücksgefühl, auch des Überflüssigen teilhaftig werden zu dürfen. Dieser Autor schreibt mit großer Lust, großer Wut vielleicht auch. Die Gedichte und Lieder gehören zumeist in grö-ßere Text-Zusammenhänge, sind für die Bühne bestimmt, zum Lesen aber auch. Im Goethe-Jahr darf ich mir ein Zitat erlauben: daß »Dichten ein Übermut ist« und »... schöpft des Dichters .reine Hand, Wasser wird sich ballen«. Einige Texte sind umwerfend: »Es hat uns nicht gegeben / Wir waren gar nicht da / Wir waren nicht am Leben / Wir lagen im Koma.« Und: »Wir hatten nichts zu fressen / Wir hatten keinen Wein / Sie können uns ver-
Ulrich Plenzdorf: Eins und eins ist uneins. Eulenspiegel Verlag. 128 S., geb.. 19,80 DM.
gessen / wir lebten nur zum Schein.«
Nur noch zwei, drei Zeilen auszugshalber, es würgt einen in der Kehle: »Ich sehn mich so nach bißchen Unterdrückung / nach bißchen Kult und bißchen Staatsverzükkung/... Ich sehn mich so
nach Hofberichten / nach einem Buch verlogener Geschichten / von Harri Hetz und Horst Zuträger / nach einem feigen Buch Verleger...« Wenn ich mir überlege, daß alles, was die DDR betraf, in den schnell gemachten und fix erdachten Nachwendefilmen über die DDR schief war und unverträglich, immer al-
les haarscharf daneben, selbst die redliche Margarete von Trotta scheiterte, nur Motzkis Untergang war brachialer, dann sind Uli Plenzdorfs Texte, ich übertreibe in diesem Falle gern, ein Wunder Sie dauern nur ein bißchen länger, ehe sie eintreten, und (das will einem eigentlich gar nicht so recht über die Zunge, ist aber wahr, nur belegen kann man es nicht): daß eigentlich beinahe nur der Osten weiß, was der Osten war. Oder ist.
Plenzdorfs Text »Revolte Reform Revue« fegt auch Bedenken hinweg, die man immer wieder hört, daß keiner mehr was darüber hören will, was mit DDR mittelbar oder unmittelbar zu tun hat. Dieser Text für das Kabarett, der beinahe ein Stück ist, umreißt mit beglückendem Witz und berückendem Geschick das Ganze und sein Detail. Er ist frech einseitig und weit zugleich. - Und »Freiheitsberaubung«, Anitas großen Monolog, kann man gern zweimal lesen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.