Venezuelas Reifeprüfung
Martin Ling über die bolivarianischen Prozess mit Chávez
Es ging ums Eingemachte: Fortsetzung des bolivarianischen Prozesses mit Hugo Chávez oder Rückkehr der alten Oligarchie an die Regierung. Chávez' Basis war das bewusst, aber auch der Opposition: Davon zeugt die mit über 80 Prozent höchste Wahlbeteiligung in Venezuelas Geschichte.
Venezuelas Demokratie lebt. Dafür sprechen die sauberen Wahlen und die Tatsache, dass Herausforderer Henrique Capriles seine Niederlage umstandslos eingestand. Keine Selbstverständlichkeit in einem extrem polarisierten Land, in dem politisch zwischen echten Alternativen gewählt wird: dem tradierten neoliberalen Modell und dem, was Chávez als Sozialismus des 21. Jahrhunderts bezeichnet.
Man kann Chávez einige gesellschaftliche Missstände vorwerfen, derer er in fast 14 Jahren Regierung nicht Herr werden konnte: Korruption, Ineffizienz, ungebrochene Ölabhängigkeit, Gewaltkriminalität - Phänomene, die es auch vor seiner Ära schon gab. Keinesfalls absprechen kann man Chávez, dass er der Demokratie großen Raum gibt. Nie in Venezuelas Geschichte war die Möglichkeit der konsumtiven und politischen Teilhabe für die Marginalisierten so groß wie in den Chávez-Jahren. Das führte zu einer massiven Politisierung der Bevölkerung. Es waren die Armen, die mit ihrem Marsch 2002 den Putsch gegen Chávez rückgängig machten. Und es waren die Armen, die nun für eine Fortsetzung des Projektes votierten. Venezuela hat seine Reifeprüfung bestanden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.