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Große Koalition bremst NS-Aufarbeitung aus

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.
Erkenntnisse über die braune BND-Tradition bleiben im Dunkeln; die Erforschung der NS-Vergangenheit von Behörden kommt nicht voran: Linkspartei und Grüne sprechen von einer „unverantwortlichen Blockade“ - hinter der eine große Koalition aus Union, FDP und Sozialdemokraten steht.
Mitte der Woche im Kulturausschuss des Bundestags: Ein gemeinsamer Antrag von Union, FDP und SPD steht auf der Tagesordnung, es geht um die Erforschung der NS-Vergangenheit von Behörden. Zwei Jahre sind vergangen, seit durch die Veröffentlichung der Studie „Das Amt und die Geschichte" über die braunen Fäden, die in Außenministerium reichten, ein Kapitel deutscher Vergangenheitsbewältigung etwas weiter in den Vordergrund rückte.

Seither haben sich weitere Ministerien zur Selbstbeforschung durchgerungen, Studien über die Frühgeschichte von BND und Bundeskriminalamt wurden in Auftrag gegeben. Der Bundestag solle, so steht es im Antrag von Union, FDP und SPD, die Bedingungen für die historische Aufarbeitung verbessern.

Die Grüne Claudia Roth sieht das anders. Die Vorlage enthalte „nur Mini-Schritte und kein wirkliches Konzept zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Ministerien und Behörden". Gemeinsam mit der Linksfraktion haben die Grünen einen Defizit-Katalog aufgestellt: elf Punkte, in denen dargelegt wird, wo die ganz große Koalition nacharbeiten müsste.

Nur "eine lästige Pflicht"?

Der Antrag wirke „an vielen Stellen politisch defensiv", so als handele es sich bei der Aufarbeitung „um eine lästige Pflicht". Die Initiative der drei Fraktionen ziehe „keine systematischen politischen Schlussfolgerungen aus der Debatte um die NS-Vergangenheit von Ministerien und Behörden". Der Titel der schwarz-rot-gelben Initiative, meint auch die LINKEN-Abgeordnete Luc Jochimsen, verspreche zwar viel, löse das aber nicht ein. „Wir brauchen keine defensive Erinnerungspolitik", sagt die Kulturpolitikerin. Und auch ihre grüne Kollegin Roth meint, nach den intensiven Diskussionen der vergangenen Jahre sei das „viel zu wenig".

Kritisiert wird unter anderem die zeitliche Beschränkung auf die „frühe Geschichte" der bundesdeutschen Behörden. Schließlich sei inzwischen bekannt, dass noch in den 1960er und 1970er Jahren etwa der BND mit Nazi-Verbrechern wie Klaus Barbie kooperiert hat.

Im letzten Punkt der Stellungnahme von Linkspartei und Grünen wird auf die Gefahr hingewiesen, dass die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen über die NS-Vergangenheit deutscher Behörden unter Hinweis auf allgemein angeführte „schutzwürdige Belange" von Institutionen und Personen behindert werde. Dies müsse „definitiv ausgeschlossen werden".

Grüne fordern transparente BND-Aufarbeitung

Wir dringlich diese Forderung ist, demonstrierten in nämlicher Sitzung des Kulturausschuss wiederum Union, FDP und SPD: Sie lehnten einen Antrag der Grünen ab, in dem ein öffentlicher Bericht „über den Umfang der beim Bundesnachrichtendienst vorhandenen Akten und Erkenntnisse zu Adolf Eichmann und Klaus Barbie" gefordert wird. Immerhin wusste der Geheimdienst bereits seit 1952, wo sich der Holocaust-Organisator Eichmann versteckte - verheimlichte dies aber. Barbie, der „Schlächter von Lyon", wurde noch Mitte der 1960er Jahre sogar als BND-Agent angeworben.

Der BND müsse sich „endlich auch öffentlich seinen personellen Verstrickungen mit NS-Verbrechern stellen", sagt der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele. Zwar gewährt der Geheimdienst seit einiger Zeit einem Kreis von Historikern Akteneinsicht. Diese seien „jedoch zum Schweigen verpflichtet" - deshalb die Initiative der Grünen zu einer transparenten Aufarbeitung. Zu einer solchen können sich Union, FDP und SPD aber offenbar nicht durchringen.

Ströbele spricht von einer „unverantwortlichen Blockade" der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit deutscher Behörden. Sie zu durchbrechen, jedenfalls was den Antrag zur öffentlichen Übernahme von Verantwortung durch den BND angeht, bleibt nicht mehr viel Zeit: Anfang November wird der Bundestag über die ablehnende Beschlussempfehlung des Kulturausschusses abstimmen.
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