Fragen zur Ehre
NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages nahm sich kenntnisreichen MAD vor
»Eine Frage der Ehre« sei es, in der Bundeswehr zu dienen, suggerierte ein buntes Werbeplakat in der S-Bahn, die den Berichterstatter in Richtung Bundestag beförderte. Dort kämpfte dann ein ehemaliger Oberst um diese Ehre. Auf verlorenem Posten, denn damit war es in der Truppe nicht weit her Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre - also in jener Zeit, in der das Jenaer Nazitrio seine Mordserie begann.
Fast untadelig aber war die Aktenordnung des MAD. Soweit vorhanden und nicht geschreddert, ist die Sammlung aussagenkräftig. »Fossil« Huth hat daran seinen Anteil, er hat beim MAD fast 25 Jahre gedient. Wann hat Huth, zuletzt als Abteilungsleiter zuständig für Rechtsextremismus, das erste Mal gehört, dass es eine »Beziehung« zwischen MAD und dem späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlosgegeben hat?
Das war im Mai 2012, da hatte das Amt den Zeugen für die anstehende Aussage vor dem Untersuchungsausschuss »gebrieft«. Immerhin erfuhr er so Wochen vor dem Ausschuss von der Befragung des Soldaten Mundlos durch den Militärgeheimdienst. Der MAD hatte sogar versucht, das damalige Mitglied im Thüringer Heimatschutz als V-Mann zu werben. Diese Operation fand sieben Monate, nachdem die Polizei Mundlos mit verbotenem Propagandamaterial aufgegriffen hatte, statt.
Huth erklärte diesen Langmut mit Umstrukturierungen im Amt. Er war sich zunächst sicher, dass er in seiner aktiven Zeit nichts gehört habe von diesen Jenaer Bombenbastlern - und war dann offenbar selbst erstaunt, als ihm deutlich gemacht wurde, wie dicht der MAD an dem Terrortrio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe »dran gewesen« sein muss.
Das betrifft weniger die Operation »Rennsteig«, bei der der MAD Hilfsdienste für das Bundesamt und das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz geleistet hat. Auch jenseits des »Rennsteigs« erfüllte man bei Soldatenbefragungen mehrmals Nachfragewünsche des Verfassungsschutzes in Richtung Thüringer Heimatschutz und Terrortrio.
»Der Thüringer Heimatschutz machte uns natürlich Sorge«, bekannte Huth. Denn das war mit bis zu 300 jungen männlichen Mitgliedern eine beachtlich Truppe, aus der »jährlich 20 oder mehr junge Männer zum Wehrdienst eingezogen wurden«. Gegen die Gepflogenheit hatte man sogar einen zivilen V-Mann im Einsatz. Man wollte wissen, wen man sich in den Pelz setzt.
Befragt nach einem System »Veranda« winkte der Ex-Oberst ab. Dieses EDV-System sei nicht handhabbar gewesen. Na ja ... Immerhin finden sich darin präzise Angaben zum Trio. Von dem Neonazi Jürgen Helbig, der »jederzeit wieder als Kurier (für die drei Flüchtigen) fungieren« würde, wusste man, dass die drei Bombenbastler sich auf der Stufe »Rechtsterroristen« bewegen und sich »aufgrund des zu erwartenden Strafmaßes nicht den Behörden stellen würden«. Braucht man mehr Hinweise, um die Gefährlichkeit der Terroristen zu erfassen?! Der MAD meldete die 1999er Erkenntnis dem Verfassungsschutz - mit drei Monaten Verzug.
So sehr sich Huth und andere MADler gegen Neonazis gewehrt haben mögen, die Bundeswehr nahm sie auf, selbst wenn die ihre Gesinnung auf der Haut zur Musterung trugen. So André Eminger, einer der NSU-Gangster, seit gestern offiziell angeklagt, weil er dem Trio beim Untertauchen und mit Papieren half. Er hielt Kontakt zu den Mördern in der Illegalität und versuchte Zschäpe nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt zur Flucht zur verhelfen.
»Blut und Ehre«, das Motto der SS, die er als nationalsozialistische Elitetruppe verehrte, hatte sich Emminger nebst Reichskriegsflagge und »A H« tätowieren lassen. Man musterte ihn ungerührt und verpasste ihm den Tarnfleck-Ehrenrock. »Rechte wollen eben ihr Handwerk lernen«, kommentierte Huth mit grimmigem Unterton. Und ließ sich interessiert den Fall Mario Brehme schildern. Der Vizechef des »Thüringer Heimatschutzes« wurde bei der Bundeswehr sogar zum Einzelkämpfer ausgebildet. Bei der Entlassung bescheinigte man ihm, dass er seinen Dienst »zur vollsten Zufriedenheit« absolviert hat.
Wenn man Brehmes Reisen nach Südafrika folgt, gelangt man zu Claus Nordbruch. Der flog nach rechtsextremen Exzessen zwar von der Münchner Bundeswehr-Uni, doch Leutnant wurde er dennoch. Seit Jahren knüpft er von seiner Farm in Südafrika ein internationales Nazinetz, propagiert Rassenwahn und hat Brehme und weitere Rechtsradikale aus dem Thüringer Heimatschutz zum bewaffneten Training empfangen.
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