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Jede Leiche zählt

Schwarz-Gelb tut sich schwer mit der NS-Aufarbeitung - auch im Parlament

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Am Vorabend des Tages, an dem man der beispiellosen Folgen brennender Synagogen gedenkt, wurde im Bundestag über Kontinuitäten zwischen der Nazi-Diktatur und dem Aufbau der Bundesrepublik gestritten. Wieder einmal zeigten Union und FDP, dass sie NS-Verstrickungen westdeutscher Eliten gerne mit Verweis auf die »DDR-Diktatur« kontern. Einer ehrlichen Debatte ist das nicht dienlich.
Jede Leiche zählt

»Ein Reflex«, so weiß es das Online-Lexikon Wikipedia, »ist eine unwillkürliche, rasche und gleichartige Reaktion (...) auf einen bestimmten Reiz. Auch die Politik kennt solche Reflexe. Etwa wenn die Sprache auf die braune Vergangenheit der frühen BRD-Eliten kommt. Sofort wird dann auf die »rote Diktatur« östlich der Elbe verwiesen. Auch als am Mittwoch im Bundestag der Antrag der LINKEN zum »Umgang mit der NS-Vergangenheit« diskutiert wurde, reagierten Unions- und FDP-Politiker mit den bekannten Reflexen. Da half es auch nichts, dass Jan Korte (LINKE) in Anlehnung an SPD-Legende Egon Bahr davor warnte, »die Leichenberge der Nazis mit den Aktenbergen der Stasi zu vermischen«.

Der FDP-Abgeordnete Patrick Kurth ließ sich nicht beirren. Es sei Staatsräson, so Kurth, »alle Diktaturen aufzuarbeiten«. Für ihn zähle jede Leiche, auch die »in Moskau Erschossenen«. Obwohl es in der Debatte um NS-Unrecht gehen sollte, empfahl der FDP-Mann die Lektüre des Buches »Die Stasi im Westen«. Der Liberale steigerte sich schließlich in die Behauptung, die 68er-Bewegung im Westen sei von der »Stasi gesteuert« gewesen. Damit brachte er selbst Grünen-Chefin Claudia Roth auf die Palme.

Etwas subtiler argumentierte der CDU-Abgeordnete Detlef Seif. Der Christdemokrat schloss sich der Meinung seines SPD-Vorredners Wolfgang Thierse an und betonte, der Antrag der LINKEN wäre glaubwürdiger gewesen, »wenn es einen Bezug zur DDR gegeben hätte«. Offenbar hatten beide Politiker den Antrag nicht gelesen: Unter Punkt 21 wird dort explizit gefragt, welche Kenntnisse »die Bundesregierung über die Beschäftigung von NS-belasteten Personen in den staatlichen Organen der DDR« habe.

Der ebenfalls im Antrag geforderten Freigabe westdeutscher Behördenakten stimmte Steif sogar zu. »Wir alle haben Interesse an einer Offenlegung«, so der CDU-Hinterbänkler. Allerdings müsse man vorher prüfen, welche Akten man freigeben könne. Eine vollständige Offenlegung bedeute »Informationsfreiheit für Al Quaida«, behauptete Steif allen Ernstes.

Sein Fraktionskollege Stephan Mayer (CSU) stellte sich lieber dumm. Die NS-Zeit sei die »am besten erforschte Periode der deutschen Geschichte«, so Mayer. Dass es der LINKEN aber um die Nachkriegszeit geht, ignorierte der Bayer. Ohnehin wolle die LINKE nur »politisch instrumentierbare Auftragsforschung«, so Mayer.

Auch wenn der LINKEN-Antrag keine Chance hatte. Immerhin nötigte man Union, FDP und SPD dazu, einen Gegen-Antrag zu formulieren. Demnach soll der Aktenzugang verbessert werden. Zudem wird die Bundesregierung aufgefordert, die »Forschung zur Bundesrepublik und zur DDR« durch gute Rahmenbedingungen zu fördern. Man darf gespannt sein.


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