Kauder auf der Kippe
In der Südwest-CDU tobt eine Schlammschlacht um eine Nominierung für die Bundestagswahl
Villingen-Schwenningen. Die Nominierung des CDU-Kandidaten für den Bundestagswahlkreis Schwarzwald-Baar war früher meist nur von begrenztem Interesse. Heute wird das anders sein: Die erwarteten mindestens 500 Parteimitglieder könnten nämlich der Karriere von Siegfried Kauder ein jähes Ende bereiten, dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses im Bundestag. Gegen den 61-Jährigen aus Villingen-Schwenningen tritt Thorsten Frei (39) an, Oberbürgermeister von Donaueschingen und CDU-Nachwuchshoffnung im Südwesten. Es tobt parteiintern ein Wahlkampf, den viele als Schlammschlacht empfinden.
Fern der Basis
Siegfried Kauder, dessen älterer Bruder Volker als Unions-Fraktionschef ebenfalls im Bundestag sitzt, muss sich seit Monaten mit Vorwürfen der eigenen Parteifreunde herumschlagen: fehlende Kommunikation, mangelnder Führungsstil, keine Nähe zur Basis. Das sorgte dafür, dass im Juli eine Nominierung des Rechtsanwalts platzte, der seit zehn Jahren für die CDU im Bundestag sitzt.
Nun dürfte es für Kauder noch schwerer werden, denn vor einigen Wochen hat Frei seinen Hut in den Ring geworfen. »Mir war schon länger klar, dass in diesem Wahlkreis etwas nicht stimmt«, sagt Frei, dessen frische Art bei den Leuten gut ankommt. Ihm gereicht es nun jedoch zum Nachteil, dass er erst Ende September als Oberbürgermeister von Donaueschingen wiedergewählt wurde. Will er seine Stadt aus Karrieregründen im Stich lassen? Die Vereidigung wurde vorsichtshalber verschoben.
Es wird mit harten Bandagen gearbeitet: Insbesondere Kauder greift die Kritiker innerhalb seiner Partei an. »Polit-Mobbing«, »Rufmord« und die »Verbreitung von Unwahrheiten« warf er in einem dreiseitigen Brief an Parteimitglieder namentlich genannten Funktionären vor. Auch kritisierte er den zwischenzeitlich ohne Erfolg als Schlichter engagierten Ex-Ministerpräsidenten Erwin Teufel, nicht korrekt seiner Aufgabe nachgekommen zu sein. Das wiederum nehmen Kauder viele Mitglieder übel, denn Teufel gilt den meisten im Schwarzwald nach wie vor als Paradebild eines integren Christdemokraten. Zuletzt legte Kauder eine 38 Seiten umfassende Leistungsbilanz seiner Arbeit in Berlin sowie im Wahlkreis vor. Es handele sich um eine normale Zwischenbilanz, betonte er.
Der Karrieristen-Vorwurf
Weniger die aufgelisteten 94 Gemeindebesuche, 128 Parteiveranstaltungen oder 38 Sprechstunden und auch nicht die 486 bearbeiteten Petitionen sorgten für Aufsehen, sondern das, was Kauder über die heute anstehende Nominierung sagte: Die Bürger erwarteten, dass Probleme gelöst würden - und nicht, dass »Weichgespülte und Karrieristen nach oben kommen«. Ein weiterer Seitenhieb auf Frei, der auch Vizechef der Südwest-CDU ist?
In den letzten Tagen vor der heutigen Wahl mühten sich die beiden Bewerber, im Rahmen von Vorstellungen bei Ortsvereinen möglichst viele Parteimitglieder auf ihre Seite zu bekommen. Dort, wo Kauder und Frei aufeinandertrafen, würdigten sie sich kaum eines Blickes. Die Stimmung ist aufgeheizt. Immer mehr CDU-Repräsentanten und Ortsverbände haben sich in letzter Zeit zu Frei bekannt - auch die Junge Union des Schwarzwald-Baar-Kreises sprach sich inzwischen für ihn aus. Es sei blauäugig zu meinen, dass die aufgerissenen Gräben direkt nach der Nominierung wieder zugeschüttet werden könnten, sagt Siegfried Kauder.
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