Die Filme sind da …

Walter Heynowski zum Geburtstag

  • Matthias Oehme
  • Lesedauer: 3 Min.

Walter Heynowski wird heute 85 Jahre alt, er lebt in der Karl-Marx-Allee und erfreut sich bester Gesundheit und großer Arbeitsfreude. Letzteres ist insofern bemerkenswert, als ihm sein Medium heute verschlossen ist. Der Film braucht Geld und Apparate, beides steht ihm seit zwanzig Jahren nicht mehr zur Verfügung. Und man hege keine Illusionen, nicht wenige sagen: gut so. Freunde von Frieden, Sozialismus, Solidarität sind das nicht, sie hängen anderen Werten als den in Heynowskis Arbeit propagierten an. Und propagiert hat er sie: klar, kunst- und eindrucksvoll, erkenntnisstiftend, mit agitatorischer Verve. Eine Aufführung von »Bye-bye Wheelus« im engsten Kreis brachte die politische Hellsichtigkeit und überzeugende Bildsprache der H & S-Filme erst kürzlich wieder in Erinnerung - Anlass war der furchtbare Sturz Libyens in den Bürgerkrieg.

Ich habe ihn spät kennengelernt und als einen, der sich verweigert. Nie wieder wollte er den Eulenspiegel Verlag betreten, nicht zu Ehrungen, Gesprächen, Retrospektiven reisen, niemanden zu Interviews oder Erinnerungsaustausch empfangen. Die Abwicklung der DDR hat ihn tief getroffen, zumal er zu jenen gehörte, die sich dieses Land frei zum Vaterland gewählt hatten, zu den qualifizierten Leuten, die aus mancherlei Beweggründen, aber mit dem sicheren Gefühl für das sittlich Richtige, nach dem Krieg in den Osten gekommen sind.

Er kam mit Aufbaubegeisterung und dem instinktiven Willen, den Beruf des Journalisten zu ergreifen. Sein Instinkt hatte den Jungen, Jahrgang 27, fast fehlgeleitet; gar zu gern wäre er unter dem nachmaligen ZDF-Fernsehkrimivielschreiber, dem publizistischen SS-Sturmgeschütz Herbert Reinecker Kriegsberichter geworden, beim »Pimpf«, beim »Schwarzen Korps« wohl gar. Seine »asiatische Visage« war den Ariern suspekt, das war das Quäntchen Glück. Der übergroße Rest aber war bittere Erkenntnisarbeit, befördert durch Männer wie Werner Steinberg, Rudolf Herrnstadt, Albert Norden ...

Angesichts seiner Verweigerung gegenüber Medienbetrieb und Aufarbeitungswahn liegt eine gewisse Ironie darin, dass des Geburtstags von Walter Heynowski hier öffentlich gedacht wird. Sein künstlerisches Schaffen ist beendet mit dem Untergang der DDR, er hat seither keinen Film mehr gedreht und wollte selbst nicht mehr darauf angesprochen werden. Der Chronist der Klassenkämpfe in Europa, Vietnam, Chile und vielen andern Ländern, der zumeist gemeinsam mit Gerhard Scheumann arbeitete - er schweigt heute: »Ich wollte sagen: Die Filme sind da, ich existiere nicht mehr.«

Doch ein Künstler und Realist, der er ja stets war, wird nie aufgeben, seine Haltung, seine Erfahrungen, seine Einsicht in die Zeitläufte zu artikulieren. Der den »Eulenspiegel« und den Eulenspiegel Verlag schuf und aufgeben musste, der dem Fernsehfunk Innovationen brachte und hier Auf und Ab erlebte, der ein eigenes Dokumentarfilm-Studio gründete und einbüßte, dem schließlich der Rahmen seiner ganzen Arbeit abhandenkam, die DEFA und die DDR, der also alles verlor, hat diese Verluste produktiv gemacht.

»Ein SS-Mann, der spricht, ist ein Wunder«, zitiert Heynowski gern Claude Lanzmann. Mit »Kamerad Krüger« schließt sich der Bogen seines Filmwerks, das mit »Mord in Lwow« und »Aktion J« begann. Nicht aber schloss sich damit der Bogen seiner Biografie und dessen, was ihn umtreibt. Immer wieder kehrt er zurück zu den Gründen für die Siege des Faschismus - draußen auf den Schlachtfeldern und drinnen in den Köpfen. Er sucht bei sich und seiner Generation, reflektiert historisch tiefer, akribischer, schonungsloser als andere. So ist seine Biografie (er arbeitet am zweiten Band) zu einem Generationenbuch geworden, zum »Film seines Lebens«, den sehen kann, wer bei ihm sehen gelernt hat. Allein die Aufzählung seiner Filme sprengte den Umfang dieser kleinen Gratulation. Man hat sie gesehen und wird sie sehen als atemberaubende, erregende, zeitzeugenschaftliche Dokumente. Wann? Einst.

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