Vergiftete Hilfe

»Kommunaler Schutzschirm« in Hessen zwingt zum Kürzen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Klammen Kommunen in Hessen bietet die schwarz-gelbe Landesregierung finanzielle Hilfe an. Im Gegenzug verpflichten sich die Gemeinden zu Kürzungen.

In diesen Wochen entscheiden etwa 100 finanziell angeschlagene hessische Städte, Gemeinden und Landkreise über Annahme oder Ablehnung eines von der Wiesbadener CDU-FDP-Regierung aufgespannten »kommunalen Schutzschirms«, der Gelder für Schuldentilgung und Zinsbeihilfen anbietet. Gewerkschaften, LINKE und andere Kritiker raten davon ab und warnen vor Risiken und Nebenwirkungen.

Denn die in Aussicht gestellte Teilentschuldung hat Schattenseiten. In den nicht immer veröffentlichten Verträgen, die in den Gremien zur Abstimmung stehen, verpflichten sich die Kommunen zu strengen Kürzungsmaßnahmen mit dem Ziel, auf Dauer den Haushaltsausgleich zu sichern. Bei Nichterfüllung drohen Sanktionen.

»Erst schütten sie dir einen Eimer Wasser über den Kopf und dann bieten sie einen Schirm an«, brachte es ein Kommunalpolitiker bei einer DGB-Diskussionsveranstaltung in der vergangenen Woche in der finanziell angeschlagenen Kreisstadt Bad Schwalbach (Rheingau-Taunus-Kreis) auf den Punkt. Noch drastischer ein anderer: »Die schlachten mir die letzte Sau vom Hof, bringen mir dann etwas Gehacktes zurück und ich soll dafür noch dankbar sein.«

In Bad Schwalbach kritisierte Kai Eicker-Wolff von der Abteilung Wirtschaftspolitik beim DGB Hessen-Thüringen, dass vor allem Kürzungen der Landeszuweisungen viele Kommunen erst in eine finanzielle Schieflage getrieben hätten. So müssten die Gemeinde- und Kreiskämmerer zunehmend auf Nettokassenkredite zurückgreifen, um laufende Ausgaben zu finanzieren. Diese Art der Kreditaufnahme, vergleichbar mit einem kurzfristigen Dispokredit bei einem Girokonto, sei vielfach zur Dauereinrichtung geworden. Hessen nehme bei der Entwicklung der Kassenkredite pro Kopf hinter dem Saarland, Rheinland-Pfalz und NRW bereits Platz vier ein, so Eicker-Wolff.

Während bisher nur eine Handvoll betroffener Gemeinden den »Schutzschirm« wegen der langfristigen Konsequenzen ablehnt, sind etliche Kommunen bereits darauf eingegangen und haben erste Einsparmaßnahmen verkündet. So soll etwa in der von SPD und Grünen regierten Nordhessenmetropole Kassel das Stadtparlament im Dezember auf Antrag von Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) einem entsprechenden Vertrag zustimmen. Während der OB verkündete, dass Kassel damit Altschulden loswerde und »neue Handlungsfähigkeit« gewinne, diagnostiziert der Stadtverordnete Kai Boeddinghaus (LINKE) dem städtischen Führungspersonal eine »komplette Realitätsverweigerung«. Denn die versprochene Entschuldung »führt zu mehr Schulden und ein größerer Handlungsspielraum bedeutet mehr Kürzungen«, so der Kommunalpolitiker. Der Vertrag gebe dem Land das Recht, weitere Kürzungsmaßnahmen zu verlangen und der Stadt die Daumenschrauben anzulegen. Gleichzeitig behalte sich das Land vor, rückwirkend alle Zahlungen von der Stadt zurückzufordern, wenn sie nicht zu weiteren Kürzungen bereit sei. Die drohende Schließung von Kasseler Stadtteilbibliotheken und Bürgerbüros sowie angedachte Gebühren- und Preiserhöhungen bei Kitas und in Schulmensen seien nur ein Einstieg, warnt Boeddinghaus: »Nach den Hessenwahlen kommen die nächsten Kürzungsrunden.« In Hessen wird Ende 2013 ein neuer Landtag gewählt.

Auch in der Opelstadt Rüsselsheim deutet sich an, dass die Akteure von CDU, SPD und Grünen die Bedingungen des »Schutzschirms« akzeptieren wollen. Im nordhessischen Bad Sooden-Allendorf hat eine Mehrheit aus CDU und Grünen unter dem Druck des »Schutzschirms« die Einführung einer Pferdesteuer beschlossen. Ab 2015 droht hier den Dorfgemeinschaftshäusern in den Ortsteilen die Schließung. Damit wäre eine wichtige Errungenschaft der 1950er Jahre mit einem Federstrich gefährdet. Im Städtchen Hessisch-Lichtenau hingegen, wo die LINKE am Montagabend in einer Infoveranstaltung ihre Kritik am »Schutzschirm« erläuterte, scheint die Entscheidung noch offen zu sein.

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