Medienkunst, dialektisch

Ausstellung zum Nam June Paik Award im Kunstmuseum Bochum

  • Britta Caspers
  • Lesedauer: 3 Min.

Kunst mit den Mitteln moderner Medientechnologie - eine, für den Betrachter bloß nervenaufreibende, mediale Selbstbespie(ge)lung? Die Dokumentation internationaler Medienkunst im Kunstmuseum Bochum widerspricht solch einem (Vor-)Urteil. Die Schau zeigt die sieben Arbeiten internationaler Künstler, die für den Nam June Paik Award nominiert waren. Der Internationale Medienkunstpreis wird von der Kunststiftung NRW ausgelobt. Mit dem Preis werden Werke ausgezeichnet, die einen speziellen Bezug zum Werk Nam June Paiks aufweisen, insbesondere experimentelle oder medienbasierte Ansätze und Methoden.

Das für gewöhnlich lichtdurchflutete Innere des Bochumer Museums wirkt verwandelt; durch Abdunkelung entsteht ein Raum, der eher sakrale Züge trägt, als dass er eine moderne Hi-Tech-Spielwiese sein will. Den Besucher erwartet eine Atmosphäre der Abgeschiedenheit, die ein konzentriertes Bild-, Klang- und Raumerleben möglich macht. Da flackert und sirrt und brummt es nicht durcheinander; seltsam bewusst wahrzunehmen ist sie hier, die (durch moderne mediale Einflüsse noch verstärkte?) Vereinzelung des Menschen.

Die Dunkelheit und Abgeschiedenheit wollen jedoch nicht Weltflucht sein; »Welt« und Gesellschaft werden nicht zu virtuellen Momenten einer künstlich erzeugten Wirklichkeit, sondern sind vielmehr berückend gegenwärtig - was sich eindrucksvoll in einer Arbeit des türkischen Künstlers Burak Arikan zeigt: Das »Artist Collector Network« ist ein fortlaufendes, auf Datensammlung und Datenmapping basierendes Projekt, das dem Betrachter auf interaktive Weise Einsicht in die verborgenen und verzweigten Strukturen des Istanbuler Kunstmarkts gewährt.

Nam June Paik - nicht nur einer der wichtigsten Wegbereiter in Sachen Fluxus, sondern seit den 1960er Jahren Vorreiter einer Kunst, die auf vielfache Weise auf die neuen Medien Fernsehen und Video reagiert - markierte die beiden Extreme künstlerischer Auseinandersetzung mit moderner Medientechnologie: Einerseits verarbeitete er die sich allzu rasch entwickelnde High-Technology, ja antizipierte die Zukunft der Medientechnik und deren gesellschaftliche Relevanz, wie er andererseits die Position der Verweigerung gegenüber der Medienfaszination künstlerisch ausformulierte.

Schlussendlich mit dem Preis ausgezeichnet wurde »SSS/ Shore Scene Soundtrack« des ebenfalls in Istanbul lebenden Cevdet Erek: An der Wand ein schwarzer Teppich, daneben eine Stele mit einem Buch darauf, eine Art »kleine Theorie der Imitation« mit Gebrauchsanleitung zum Teppich. Dieser wirkt wie ein schwarzer Bildschirm, die Installation erscheint als rätselhaft dramatischer Ort.

Überzeugend ist aber in erster Linie das Gesamtkonzept dieser Ausstellung, in dem die angesprochene Dialektik von konzeptuell-künstlerischem Minimalismus und hochgradig technisierten Kunstformen anschaulich wird. So wirkt das Projekt »Em Andamento/ In Progress« der beiden brasilianischen Künstler Gisela Motta und Leandro Lima im Vergleich zu der suggestiv-minimalistischen Arbeit Ereks wie die Geburt des Bildes aus dem Geiste der Technologie: Klang wird anhand von Daten visualisiert, so dass die Schwingungsweite der Wellen die auf drei Monitoren gezeigten Landschaftsbilder ebenso rhythmisiert wie fragmentiert. Etwas zutiefst Befremdliches geschieht: Die sich in rascher Folge teilenden und sich wieder ineinanderfügenden Bilder erwecken Sehnsucht nach nicht-technisiertem Erleben von Landschaft, von Stille.

Letztlich geht es in dieser Ausstellung nicht so sehr um die ästhetische Erkundung fremder medialer Welten, sondern vielmehr um die Frage, die auch für die künstlerische Arbeit Nam June Paiks wesentlich war: wie sich die Technologie, das elektronische Medium, humanisieren lässt.

Nam June Paik Award 2012, Kunstmuseum Bochum, bis 13. Januar 2013

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