Einigung über Bankenaufsicht
Deutschland setzt sich bei EU-Finanzministertreffen in Brüssel durch
Nach 14 Stunden Verhandlungen hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in vielen Punkten gewonnen. Er und seine europäischen Kollegen einigten sich in der Nacht zum Donnerstag über die Details zur geplanten Bankenaufsicht. Häufig wurden dabei die deutschen Standpunkte übernommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte sich deswegen in ihrer Regierungserklärung am folgenden Morgen zufrieden zeigen. Schäuble sei es gelungen, »Kernforderungen Deutschlands durchzusetzen«, lobte sie ihren Minister.
Mit der Einigung des EU-Finanzministerrates endete ein langes Gezerre um einen europaweit einheitlichen Aufsichtsmechanismus für Finanzinstitute. EU-Finanzkommissar Michel Barnier sprach nach dem Treffen von einer »historischen Einigung«. Noch eine Woche zuvor hatten es die Schatzmeister nicht geschafft, einen Kompromiss zu finden. Besonders Streitigkeiten zwischen Frankreich und Deutschland waren der Grund dafür.
Nach deutschem Wunsch wird die neue Bankenaufsicht nicht alle der über 6000 Banken in der Eurozone überwachen. Die europäischen Kontrolleure werden vorerst nur Banken kontrollieren, die entweder eine Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro beziehungsweise 20 Prozent der Wirtschaftsleistung des Heimatlandes aufweisen oder zu den drei größten Finanzinstituten des Mitgliedslandes gehören. Diese Kriterien werden schätzungsweise auf 150 Kreditinstitute zutreffen. Alle anderen Banken bleiben zunächst grundsätzlich unter nationaler Beobachtung. Die neue Aufsicht kann in begründeten Fällen aber die Überwachung dieser Institute an sich ziehen, etwa wenn sie Finanzhilfen bekommen.
In der Frage des Sitzes der Behörde ist es zu einem Kompromiss gekommen. Zwar wird die Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt sein. Doch soll es zu einer strikten Trennung zwischen Geldpolitik und Aufsichtsfunktion kommen, wie es die Bundesregierung immer wieder gefordert hat. Um das zu gewährleisten, soll ein neues Gremium geschaffen werden. Dessen Vorsitzender darf nicht Mitglied des EZB-Direktoriums sein und soll von den Finanzministern der teilnehmenden Staaten bestimmt werden. Ihm zur Seite werden als Vizevorsitzender einer der sechs Direktoren der EZB und vier weitere Mitglieder der Zentralbank gestellt. Die dürfen aber nicht mit Aufgaben der Geldpolitik betraut sein.
Die europaweite Bankenaufsicht wird nicht vor 1. März 2014 ihre Arbeit aufnehmen können. Zunächst müssen mit dem Europäischen Parlament entsprechende Verordnungen abgesprochen werden. Frühestens ein Jahr danach soll die Behörde Banken kontrollieren. Außerdem muss der Bundestag darüber abstimmen. Damit hat Deutschland die Arbeitsaufnahme erfolgreich verschoben. Der Vorschlag der EU-Kommission sah noch den Arbeitsbeginn für den 1. Januar 2014 vor.
Eine Ausnahme von der Regel gibt es: Die neue Institution darf schon vor ihrem offiziellen Start Banken überwachen, wenn der Rettungsschirm ESM dies einstimmig beschließt und die EZB dem zustimmt. Schließlich ist die Überwachung durch die europaweite Aufsicht eine wichtige Bedingung dafür, dass marode Banken direkt Geld vom ESM bekommen können.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.