Bryan Ferry Orchestra
The Jazz Age
Bryan Ferry und Jazz? Dem stets bestens gekleideten englischen Gentleman alter Schule traut man das durchaus zu. Ein Blick auf die Titelliste seines Albums »The Jazz Age« offenbart nun Stücke wie »Do The Strand«, »The Bogus Man« oder »Virginia Plain.« Alles Lieder, die bereits Roxy Music auf dem Zettel hatten. Dort war Bryan Ferry Frontmann und kreierte experimentellen Glam-Rock. Auf seinen Soloalben widmet er sich dem eher mondänen Gesangstil. Über insgesamt elf Alben verteilen sich die ausgewählten Werke.
»Ich wollte einfach, dass die Auswahl alle kreativen Aspekte meiner Karriere berücksichtigt«, begründet Bryan Ferry die »Jazz Age«-Zusammenstellung. Doch eine große Überraschung ereilt den Hörer beim Abspielen der CD. Bryan Ferrys samtig-kehlige und überaus verführerische Stimmte erklingt auf der Platte gar nicht. »Viele Stücke, die ich heute privat höre, sind Instrumentalstücke«, lässt er verlauten, »deshalb wollte ich meinen Liedern ein zweites Leben geben. Eins ohne Worte.« Was sich so banal in der Aussage anhört, hat bei einem Künstler wie Bryan Ferry große Tragweite.
The Bryan Ferry Orchestra wird angeführt vom langjährigem Pianisten und musikalischen Leiter des Künstlers, Colin Good. Ballsaalatmosphäre der wilden Zwanziger kommt auf, wenn schwer und schwermütig die Klarinette weint. Wenn sich das klagende Saxofon, die tief unten seufzende Posaune dazugesellen und dem Banjo die Saiten lang gezogen werden, tauchen Salons mit goldumrahmten Spiegeln, schweren Teppichen und riesigen Kronleuchtern vor dem geistigen Auge auf. Die Roxy Music-Lieder bieten eine ideale Plattform dafür, sie in verschlurfte und entschleunigte Dixieland- oder Bigband-Hypnose zu versetzen.
Das hochkarätig besetzte Orchester streckt die Lieder mal ins Depressive oder verleiht ihnen eine fröhlich frische und mitunter kämpferische Unruhe. »In den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts hatte Jazz dieselbe aufrüttelnde Wirkung auf die Populärkultur, wie Rock ’n’ Roll in den Fünfzigern und Punk in den Siebzigern«, konstatiert Ferry.
Mit Jazz beschäftig er sich nicht zum ersten Mal. 1973 arbeitete Ferry sich auf seinem Soloalbum am Jazzstandard »These Foolish Things« ab. Später, auf »As Time Goes By«, beschäftigte er sich mit den Swing-Klanggewändern der 1930er-Jahre. Bei diesem Ausflug in die Musikgeschichte hatte er ebenfalls Colin Good und die Crème de la Crème der britischen Jazzszene an seiner Seite.
Bryan Ferry und Colin Good haben den Stücken nicht nur ein neues Outfit verpasst, sondern sie lassen die Produktion auch wie eine alte Schelllackplatte klingen. Die Zusammenstellung der Lieder folgt einem wunderbaren Spannungsbogen, vom optimistisch peppigen Eröffnungsstück »Do The Strand« hin zum verführerisch müßiggängerischen Schluss »This Island Earth.« Was alle Lieder zudem auszeichnet, ist ihre tänzerische Leichtigkeit. So originell und einzigartig die musikalische Neuausrichtung hier vollzogen wird, Bryan Ferrys Stimme vermisst man doch. Sie hätte hier einfach gut gepasst.
Bryan Ferry Orchestra: The Jazz Age (BMG Rights/GoodToGo)
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