Politik verschärft griechische Armut
Bundesregierung bestätigt negative Auswirkungen der Sparmaßnahmen Athens
Die von der Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission auferlegten Sparmaßnahmen treiben in Griechenland Armut und Schulden in die Höhe. Das bestätigte die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Demnach sei der Rückgang der griechischen Inlandsnachfrage durch die »haushaltspolitischen Maßnahmen begünstigt« worden, heißt es in dem Schreiben. Für Schwarz-Gelb ist dies jedoch kein Anlass, ihre Krisenpolitik zu überdenken.
Derweil empfing am Dienstag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren griechischen Kollegen Antonis Samaras in Berlin. Die beiden Regierungschefs wollten sich über die Umsetzung des griechischen Reformprogramms und über die wirtschaftliche Situation in Deutschland austauschen. »Denn auch wir müssen alles daransetzen, Wirtschaftswachstum und damit Sicherheit für Arbeitsplätze zu garantieren«, erklärte die Kanzlerin. Samaras versprach, dass Athen das »Bestmögliche« tue, »um die Dinge wieder auf den richtigen Pfad zu bekommen«. Gleichzeitig betonte er, dass die Maßnahmen mit »großen Opfern« einhergingen und das Land »vor allem unter der Geißel der Arbeitslosigkeit« leide.
Die Arbeitslosenquote in Griechenland hat sich in den letzten eineinhalb Jahren mehr als verdoppelt - von zwölf Prozent im zweiten Quartal 2010 auf derzeit 26 Prozent. Weil die Regierung in Athen zudem drastisch bei Sozialausgaben spart, wächst die Armut in dem Land rasant an. In ihrer Antwort auf die Anfrage der LINKEN bestätigt die Bundesregierung, dass »zwischen 2009 und 2011 eine deutliche Zunahme von Armut zu beobachten« war. So liegt der Anteil der Griechen, die in absoluter Armut leben müssen, bei mittlerweile rund 30 Prozent.
»Massenobdachlosigkeit, unzureichende Gesundheitsversorgung, steigende Selbstmord- und Kriminalitätsraten und eine junge Generation ohne Perspektive sind die Folge deutscher Europapolitik«, kommentiert der Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Alexander Ulrich, die dramatische Entwicklung in dem Krisenland.
Die Hauptursachen für die Rezession, unter der das Land momentan leidet, sind die harten Sparmaßnahmen, die Athen unter deutscher Federführung von der Troika auferlegt wurden. Vor diesem Hintergrund wird Prognosen zufolge »der private Konsum um 7,7 Prozent im Jahr 2012 und 6,9 Prozent im Jahr 2013« zurückgehen, heißt es im Bericht der Bundesregierung. Arbeitsmarktreformen zu Lasten der Beschäftigten, etwa die Herabsetzung des monatlichen Mindestlohns von 877 auf 684 Euro, verschärfen die Situation. Die EU-Kommission geht davon aus, dass das Lohnniveau noch bis 2014 sinken wird. Alleine dieses Jahr soll ihren Prognosen zufolge das Einkommen pro Kopf um 9,7 Prozent zurückgehen.
Die Arbeitslosigkeit und die Einschnitte bei der erwerbstätigen Bevölkerung werden von der Bundesregierung durchaus in Kauf genommen. »Zum Teil ist ein vorübergehender Arbeitslosigkeitsanstieg auch eine unvermeidbare Begleiterscheinung der Umorientierung der Produktion vom Binnenkonsum auf Export«, schreibt das Finanzministerium in einem Lagebericht zu Griechenland.
Die staatliche Schuldenquote ist durch diese Maßnahmen bis jetzt noch nicht zurückgegangen. Stattdessen ist sie sogar gestiegen, weil die Wirtschaftsleistung schneller zurückgeht als Athens Schuldenberg. Zudem muss der Staat auf Grund der Rezession allein für 2012 und 2013 einen Rückgang der Steuereinahmen um 3,5 Milliarden Euro verzeichnen. Für den Abgeordneten Ulrich offenbart sich damit »das Scheitern der Krisenpolitik der Bundesregierung.«
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