Von Banditinnen und Feministinnen
Indiens Frauen kämpfen gegen Gewalt und Missbrauch
Seit der Vergewaltigung einer jungen Frau in Neu Delhi kommt es in Indien zu massiven Protesten. Gewalt gegen Frauen wie auch Behörden, die eine Strafverfolgung von Vergewaltigern erschweren oder unmöglich machen, sind in Indien ein immer wiederkehrendes Thema. 750 Vergewaltiger wurden im vergangenen Jahr in Neu Delhi laut »Times of India« festgenommen, gerade einmal einer wurde verurteilt. Aber auch in den ländlichen, stark patriarchalisch geprägten Gegenden sind Frauen regelmäßig gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Ein gerade im Laika-Verlag erschienenes Buch über die legendäre Rebellin Phoolan Devi beleuchtet die strukturelle Gewalt in der indischen Gesellschaft, belegt aber auch, dass sich viele Frauen dagegen wehren.
Phoolan Devi wurde in den 1980er Jahren zur Ikone der wehrhaften Frau. 1963 als Angehörige einer niederen Kaste geboren, wurde sie als Elfjährige mit einem 20 Jahre älteren Mann verheiratet. Auch wenn solche Ehen in Indien seit den 50er Jahren verboten sind, finden sie in ländlichen Gebieten nach wie vor statt. Devi wurde von ihrem Ehemann missbraucht, lief davon und wurde dann mehrfach in ihrem Dorf vergewaltigt. Ein kommunales Schiedsgericht schob die Schuld dafür auf das Mädchen: Sie habe die Männer verführt. Kurze Zeit später wurde sie von Banditen verschleppt und nach einigen Jahren selbst Anführerin einer Banditenbande, die einen Teil ihrer Beute stets an Arme weitergab.
Die »bandit queen«, wie sie sich selbst nannte, stürmte mit Megafon und Karabiner bewaffnet in Dörfer und zog auch Männer zur Rechenschaft, die Frauen misshandelt hatten. Ihrem früheren Ehemann brach sie Hände und Füße, setzte ihn auf einen Esel und trieb ihn durch das Dorf als Zeichen gegen Ehen, bei denen Kinder mit älteren Männern zwangsverheiratet werden.
Ende der 70er wurde Devi von Landbesitzern, die sich gegen sie organisiert hatten, unzählige Male vergewaltigt. Später tötete Devi deshalb 22 Männer, die daran beteiligt gewesen sein sollen. Die Regierung setzte daraufhin Tausende Polizisten gegen sie in Marsch. 1983 ergab sich Devi den Behörden. Vor den Augen von 10 000 Anhängern legte sie vor Bildern Mahatma Gandhis und der Rachegöttin Durga ihre Waffen nieder. Elf Jahre saß sie ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis.
Nach ihrer Freilassung kämpfte Devi als Abgeordnete der sozialistischen Partei im indischen Nationalparlament weiter - für eine bessere Bildungspolitik für Frauen und Mädchen sowie eine Abschaffung des Kastensystems. Im Jahr 2001 wurde Devi mit drei Kopfschüssen auf offener Straße ermordet. Wahrscheinlich waren die Täter Angehörige der von ihr getöteten Vergewaltiger. In der Folge kam es in ganz Indien zu Ausschreitungen. Aber die Behörden stellten die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Mörder bald ein.
Das Buch enthält neben Texten über Phoolan Devi, einem Interview mit ihr und einer Filmdokumentation Informationen über einen ganz aktuellen Kampf indischer Frauen gegen männliche Gewalt. Die Gulabi-Gang ist ein Zusammenschluss von Frauen, die in pinkfarbene Saris gekleidet und mit Stöcken bewaffnet im ländlichen Indien bei Gewalt gegen Frauen, aber auch bei Zwangsehen von nicht-volljährigen Mädchen intervenieren. Sie setzten sich vermittelnd mit Familien auseinander, knüpfen Kontakte zu Behörden, bieten Rechtsbeistand. 2006 gegründet hat die Gulabi-Gang mittlerweile Tausende Mitglieder und verfügt sogar über einen Ortsverband in Paris. Im Mittelpunkt des dem Buch beiliegenden Dokumentarfilms »Pink Saris« steht die Gründerin Sampat Pal Devi (nicht verwandt mit Phoolan Devi), die sich wortgewaltig für die Rechte von Frauen und gegen das Kastensystem und seine sozialen Ausschlussmechanismen einsetzt.
»Phoolan Devi - Die Rebellin«, Bibliothek des Widerstands Band 13, Laika-Verlag, 176 Seiten, 2 DVDs, 24,90 Euro.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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