Kein Anschluss in Damaskus

Der Bürgerkrieg in Syrien zerstört auch Wirtschaft und Infrastruktur des Landes

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.
Syrische Rebellen haben am Wochenende in Idlib im Nordwesten des Landes ein Gefängnis gestürmt und rund 300 Insassen befreit. Das syrische Fernsehen meldete, alle Kommunikationskanäle mit dem Gefängnis seien gekappt. Das trifft offenbar auch auf das Mobilfunknetz in Damaskus zu.

»Hier, das ist die Nummer von Hannan, nichts! Und das hier ist die Nummer von Abu Ali, wieder nichts! Und dieses hier ist die Nummer von meinem Vater, keiner antwortet!« Mahmud aus Afrin starrt auf sein Handy und wählt eine Nummer nach der anderen. Jedes Mal ertönt eine Melodie, dann folgt die Ansage einer Frauenstimme, dass der Anschluss nicht zu erreichen oder vorübergehend abgeschaltet sei.

Seit einer Woche versucht Mahmud, seine Freunde und Kollegen und den Vater anzurufen, um zu hören, wie es ihnen geht und ob Hannan und Abu Ali bald wieder zur Arbeit nach Damaskus zurückkehren. Beide waren nach Afrin gefahren, nachdem der Hannans Bruder, Abu Alis Onkel, an den Verletzungen gestorben war, die er vor einigen Wochen erlitten hatte. Damals war er mit seiner Schwester auf dem Weg zum Krankenhaus in Aleppo und hatte in der Eile eine Straßensperre übersehen. Sein Wagen wurde von Kugeln durchsiebt. Seine Schwester, die ein Nierenleiden hatte, starb. Nun hat es auch den Bruder das Leben gekostet. Wer geschossen habe? Mahmud zuckt die Schultern. Eigentlich sei das auch egal, beide Freunde hätten zwei Angehörige verloren!

Die Lage in Afrin sei nicht gut, sagt Mahmud. Wer von dort ins 50 Kilometer entfernt liegende Aleppo fahren will, muss lange Umwege in Kauf nehmen, weil die islamistischen Gruppen und Kämpfer aus Azaz, einem Grenzort zur Türkei etwa auf halber Strecke zwischen Afrin und Aleppo, den Menschen in der Region das Leben schwer machen. »Sie stehlen Benzin und Heizöl, Weizen und alles mögliche.« 1500 Fabriken und Produktionsbetriebe in der Umgebung von Aleppo seien ganz oder teilweise zerstört und geplündert worden, hieß es kürzlich in einem Bericht der syrischen Regierung an die Vereinten Nationen. »Das ist unsere neue Freiheit«, meint Mahmud zynisch.

»Die Aufständischen wissen, dass sie sich militärisch gegen die syrische Armee nicht durchsetzen können, also fügen sie Land und Leuten wirtschaftlichen Schaden zu«, sagt ein ausländischer Diplomat, der seit Jahren in Syrien lebt, im Gespräch mit der Autorin in Damaskus. Ein weiterer Gesprächspartner, ein offizieller Vertreter der UN-Organisation für Nahrungsmittel und Landwirtschaft (FAO), weist darauf hin, dass die Kämpfe sich überall dort abspielten, wo die wichtigsten Produktionsgebiete Syriens seien.

Während des Gesprächs auf der Terrasse eines Cafés donnern in der Ferne die Kampfjets, gefolgt von Luftabwehrfeuer, dann wieder schießt die Artillerie von den Bergen, die im Norden der syrischen Hauptstadt liegen. Ziel der schweren Militäreinsätze sind seit einer Woche die Vorstädte Mleiha, Akraba, Daraya und Drousha, wo Tausende bewaffneter Aufständischer sich einen erbarmungslosen Kampf mit der syrischen Armee liefern. Die Menschen, die dort einmal zu Hause waren, mussten ihre Wohnungen verlassen. Dort wo sie Zuflucht gefunden haben, erhöht sich der Druck auf die Versorgungsstruktur. Die Stromnetze sind überlastet, ebenso die Wasserversorgung, Märkte und Bäckereien. Bisher versorgte eine Bäckerei etwa 5000 Leute mit Brot, heute sind es bis zu zehn Mal so viele. Die Wartezeit auf Brot kann so bis zu vier Stunden dauern.

Entgegen anderslautenden Meldungen oppositioneller Informationsnetzwerke im Ausland, scheint die Armee die Oberhand zu gewinnen. Die Unterstützung der Einheimischen für die Aufständischen hat spürbar nachgelassen.

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