Kein Pazifist
Olaf Standke über die Abschaffung des japanischen Pazifismus
Die Verfassung seines Landes war Shinzo Abe schon immer ein Dorn im Auge. Allem voran Artikel 9, der Japan nach Jahrhunderten aggressiver, expansionistischer Politik in der Region und den Schrecken des Zweiten Weltkriegs 1946 auf eine pazifistische Rolle festlegte, weshalb das Land auch keine Land-, See- und Luftstreitkräfte unterhalten solle. Das will der Ministerpräsident nun endlich kassieren. Abe, Chef der Liberaldemokratischen Partei und ein Hardliner mit Hang zu markigen Sprüchen, hat dafür in Tokio einen konkreten Fahrplan präsentiert. Weil seine konservative LDP mit der verbündeten Komeito-Partei nur im Unterhaus über die erforderlichen Stimmen verfügt, soll als erstes die für Verfassungsänderungen festgeschriebene Mehrheit von zwei Dritteln in beiden Parlamentskammern gekippt werden.
Zugleich geht die neue Regierung daran, die »Selbstverteidigungskräfte« Nippons in eine »bewaffnete Streitmacht« zu verwandeln. Mit umgerechnet 38,7 Milliarden Euro wurde in dieser Woche der Wehretat für das Haushaltsjahr 2013/14 zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt deutlich aufgestockt - und das, obwohl Japan nach Jahren der Wachstumsschwäche und Deflation mit einem Schuldenstand von 240 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu kämpfen hat. Da passt es ins Bild, wenn Abe gegenüber Peking massiv Anspruch auf eine umstrittene Inselgruppe im Ostchinesischen Meer erhebt und sehenden Auges eine mögliche Eskalation der diplomatischen Krise in Kauf nimmt.
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