»Google ist im übertragenen Sinn das Taxi«
Suchmaschinenbetreiber wirbt mit neuer Kampagne gegen Leistungsschutzrecht
»Mit der gleichen Logik könnte ein Restaurantbesitzer von Taxifahrern Geld verlangen, die ihm Gäste bringen.« Dieses Zitat aus einem Tagesspiegel-Beitrag des Blogger und Journalisten Mario Sixtus prangt seit Montag auf den Kopfstützen von 600 Berliner Taxis. Auch auf ungezählten Webseiten und in Tagezeitungen wird die Anzeige unter dem Slogan „Verteidige dein Netz“ in den kommenden Wochen zu sehen sein.
Schuld daran hat der Suchmaschinenbetreiber Google. Dieser läutet mit den Anzeigen die nächste Runde im Kampf gegen das sogenannte Leistungsschutzrecht ein. Bereits seit November letzten Jahres wirbt Google mit der Kampagne „Verteidige dein Netz“ gegen den Gesetzesentwurf, der im selben Monat vom Bundeskabinett in den Bundestag eingebracht wurde. Das Gesetz sieht unter anderem vor, Presseverlegern das ausschließliche Recht an der Veröffentlichung auch sehr kurzer Textfragmente einzuräumen. Betroffen wären davon auch Artikelvorschauen, wie sie unter den Suchergebnissen bei Google und anderen Suchmaschinen zu finden sind.
Ein Taxi mit sechs Milliarden Kunden?
Mit unserer Taxi-Kampagne verdeutlichen wir die Absurdität des geplanten Gesetzes», «erklärt Google-Sprecher Kay Oberbeck auf der Website des Unternehmens. Zeitungsartikel würden nicht bei Google, „sondern auf den Verlagsseiten online gelesen» werden. „Google ist im übertragenen Sinn das ›Taxi‹, das den ›Restaurantbesitzern‹, also den deutschen Presseverlagen im Schnitt bis zu 50 Prozent ihrer Leser liefert“, erläutert er den Gedanken hinter der Kampagne. Insgesamt, so Oberbeck, würde Google Verlagsangeboten damit sechs Milliarden Klicks pro Monat verschaffen.«
Ausgerechnet von jenen Verlagen erntete Google aber immer wieder Kritik. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) bezeichneten Googles Kampagne bereits im November letzten Jahres als »üble Propaganda«. Selbstverständlich sei es, „dass jemand der einen Inhalt gewerblich nutzt, auch dafür bezahlt“, erklärten die Verbände in einer gemeinsamen Erklärung.
Auch das LSR hätte die Kampagne nicht verhindert
Ablehnung findet das Gesetz hingegen in der Linken. Die Autoren des Blogs „Digitale Linke“ kritisieren vor allem die „unsaubere“ Formulierung des Leistungsschutzgesetzes. Ihre Prophezeiung: Zu den Gewinnern würde neben großen Verlagen »wie dem Springer-Konzern« auch Google selbst zählen. Denn anders als kleine Verlage und Suchmaschinenanbieter, könnten sich nur die »großen Player« die Kosten der notwendigen Rechtsstreitigkeiten überhaupt leisten.
Wie viel sich Google die aktuelle Taxi-Werbekampagne hat kosten lassen ist unterdessen nicht bekannt. Sicher ist aber: Auch das Leistungsschutzrecht hätte sie nicht verhindert: „Google hat meine Erlaubnis, das Zitat für die Kampagne zu nutzen. Honorar o.ä. floss nicht.“, ließ Blogger Martin Sixtus am Montag über Twitter wissen.
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