Japan gedenkt der Tsunami-Opfer
Schwere Vorwürfe und Klagen gegen Regierung und AKW-Betreiber
Tokio (dpa/nd). Japan hat am Montag mit einer Schweigeminute der Opfer der Erdbeben-, Tsunami- und Atomkatastrophe vor zwei Jahren gedacht. Um 14.46 Uhr Ortszeit legten die Menschen in den Katastrophengebieten und anderen Orten eine Schweigeminute für die fast 19 000 Todesopfer des Tsunami ein - genau zu dem Zeitpunkt, als am 11. März 2011 ein Erdbeben der Stärke 9,0 Japan heimsuchte. Bei einer Zeremonie in Tokio gedachten auch Kaiser Akihito und seine Gemahlin Kaiserin Michiko zusammen mit Angehörigen der Opfer und Regierungsvertretern der schlimmsten Katastrophe in Japan seit dem Zweiten Weltkrieg.
Regierungschef Shinzo Abe rief seine Landsleute in einer Internetbotschaft auf, den Opfern der Katastrophe helfend beizustehen. Derweil gingen Tausende gegen das von Abe geplante Wiederanfahren der Atomkraftwerke, die seit dem GAU in Fukushima abgeschaltet sind, auf die Straßen.
Viele Opfer befällt zwei Jahre nach der Katastrophe das Gefühl, vergessen zu werden. Noch immer leben rund 315 000 Menschen in engen Containerbehausungen und anderen Behelfsunterkünften. Rund 400 000 Gebäude hat die Flutwelle zerstört, doch der Wiederaufbau kommt nur schleppend voran. Der seit Dezember amtierende Regierungschef Abe rief seine Mitbürger auf, sich an freiwilligen Hilfsaktionen zu beteiligen und zu spenden. Außerdem sollten die Japaner ins Katastrophengebiet fahren und Produkte aus der betroffenen Region Tohoku kaufen. Er versicherte, den Wiederaufbau zu beschleunigen: »Ohne einen Frühling in Tohoku wird es keinen Frühling für Japan geben.«
Zugleich zogen am Montag rund 1650 Bürger Fukushimas in vier Sammelklagen gegen die Regierung und den Betreiber des Atomkraftwerks, Tepco, vor Gericht. Sie verlangen monatliche Entschädigungen, bis der Staat die Strahlenbelastung auf das Niveau vor dem Super-GAU gesenkt hat.
Zwar hat die schlimmste Atomkatastrophe seit Tschernobyl selbst kein einziges direktes Todesopfer gefordert. Die japanische Tageszeitung »Tokyo Shimbun« wies jedoch am Montag auf der Titelseite ihre Leser darauf hin, dass als indirekte Folge der Atomkatastrophe bisher 789 Menschen wegen der langen Evakuierungsdauer und Stress gestorben seien. Hilfskräfte in den betroffenen Regionen beklagen, dass nicht genug gegen das seelische Leid der Menschen getan werde. Viele der meist alten Menschen vereinsamten, weil sie mit niemandem sprechen können. Immer öfter ist vom »einsamen Tod« die Rede.
Kritiker werfen dem japanischen Staat und den Medien vor, die Folgen der Katastrophe noch immer herunterspielen zu wollen. Nach neuen Berechnungen der »Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges« (IPPNW) wird es allein durch die äußere Strahlenbelastung 40 000 bis 80 000 zusätzliche Krebsfälle in Japan geben. Außerdem erwarten die Wissenschaftler noch gut 37 000 zusätzliche Krebserkrankungen durch strahlenbelastete Nahrungsmittel.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.