Pornoverbot unterm Raketenschirm
Washingtons Umbaupläne finden Kritik in Moskau und Peking
Die USA wollen den Raketenschild an ihrer Pazifikküste stärken, dafür soll ein Teil des geplanten Schirmes über Europa entfallen. Aber fürchtet Washington tatsächlich einen Angriff Nordkoreas? Oder kamen die Drohungen Pjöngjangs mit einem atomaren Erstschlag als Vorwand gerade recht? Manche Beobachter sehen in den Ankündigungen des neuen Pentagon-Chefs Chuck Hagel auch ein Signal an Moskau, das die bisherigen Pläne als Bedrohung der eigenen Sicherheit scharf verurteilt hat - mit negativen Auswirkungen auf die amerikanisch-russischen Beziehungen.
Und auch jetzt bleibt man bei der Ablehnung dieses Projektes. Washingtons Umbaupläne zerstreuten die Sicherheitsbedenken nicht, sondern führten vielmehr zu neuen Problemen, erklärte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow der Moskauer Zeitung »Kommersant«. Er sieht »keinen Anlass zur Euphorie«, die Ankündigung Hagels verstehe man nicht als Zugeständnis an Russland. Auch Peking regierte mit Kritik: »Alle Maßnahmen zum Ausbau militärischer Kapazitäten werden nur die Feindseligkeiten verstärken und nicht zur Lösung der Probleme beitragen«, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Und Vizeaußenminister Cheng Guoping bekundete die Absicht, in Sachen Raketenschild nun die bisher schon gute Zusammenarbeit mit Russland noch zu verstärken.
Der Pentagon-Chef hatte dieser Tage angekündigt, als Antwort auf nordkoreanische Fortschritte in der Raketentechnik bis Ende 2017 in Fort Greely (Alaska) zusätzlich 14 bodengestützte Abwehrraketen aufzustellen. Dort und in Kalifornien haben die USA derzeit insgesamt 30 Abfangsysteme (Ground Based Midcourse Defense System - GMD) installiert. Zudem werden nun auch Standorte an der Ostküste für mögliche weitere Abwehrraketen geprüft.
Der Ausbau der »Festung Amerika« kostet nach Hagels Angaben zusätzlich eine Milliarde Dollar (760 Mio. Euro). Im Gegenzug soll deshalb die sogenannte Phase vier des geplanten Raketenschilds in Europa gestrichen werden. Dabei geht es um Raketen des Typs SM-3 IIB, die von Schiffen aus abgefeuert werden und auch Interkontinentalraketen abfangen können. Sie sollten vorrangig dem Schutz der USA selbst dienen und frühestens 2022 einsatzbereit sein. Die in Phase drei bis 2018 geplante Aufstellung von 24 Abwehrraketen sowie Radaranlagen in Europa sei von diesen Plänen nicht betroffen. Die Systeme, die in Polen stationiert werden, würden den dortigen NATO-Raum vollständig abdecken, betonte Pentagon-Staatssekretär James Miller - was NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auf seiner jüngsten Pressekonferenz bekräftigte. Er sehe keinen Grund zur Besorgnis für die Allianz. Auch an den Plänen für ein weiteres Radarsystem in Japan wollen die USA festhalten.
Allerdings dürfte es für die angekündigten Veränderungen auch erhebliche rüstungstechnische Gründe geben. Schon vergangenen Herbst hatte eine nationale Kommission nachdrücklich empfohlen, Interkontinentalraketen nur von Basen auf dem USA-Territorium aus abzufangen. Ohnehin sind die Zweifel an der generellen Machbarkeit eines solchen Systems nach mehreren gescheiterten bzw. manipulierten Tests nicht aus der Welt. Experten der National Academies forderten u.a. bessere Abfangraketen und Frühwarnradarsysteme mit modernerer Technologie. Ein anderes Problem hofft die für die USA-Raketenabwehr verantwortliche Missile Defense Agency vor einiger Zeit gelöst zu haben: Sie hat ihren Mitarbeitern strengstens verboten, Internetpornos abzurufen und zu verschicken. Denn dabei werde nicht nur Bandbreite belegt, sondern es bestehe auch die Gefahr, das militärische Netzwerk mit Schadprogrammen zu infizieren.
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