Maduros Bewährungsprobe

Martin Ling über das knappe Wahlergebnis in Venezuela

Die Chavisten können durchatmen, aufatmen können sie nicht. Weit knapper als erwartet setzte sich Chávez Wunschkandidat Nicolás Maduro bei den Präsidentschaftswahlen in Venezuela durch. So knapp, dass sich Henrique Capriles schlicht weigert, sich in die Niederlage zu fügen. Lenkt er nicht bald ein, steht Venezuelas Demokratie in der Nach-Chávez-Ära vor ihrer ersten, schweren Belastungsprobe. Maduros Bereitschaft, alle Stimmzettel nachzählen zu lassen, um damit Transparenz zu beweisen, ist ein wichtiger Schritt zur Deeskalation. Denn Venezuela ist ein stark polarisiertes Land, seit in der Ära von Chávez (1999-2013) mit der Umverteilung von oben nach unten ernst gemacht wurde, was Ober- und weite Teile der Mittelschicht wenig begeisterte.
Die erneut hohe Wahlbeteiligung von über 78 Prozent zeigt einmal mehr, dass in Venezuela noch über Grundsätzliches entschieden wird. Dort stehen sich zwei stark unterscheidende Politikansätze gegenüber: die chavistische Position, die Bedürfnisse der Unterprivilegierten in den Mittelpunkt zu stellen, versus die neoliberale Position von Capriles, der zuerst die Wirtschaftsinteressen bedienen will, um dann beim Wohlstand auf den Sickereffekt nach unten zu vertrauen. Dass er für diese antiquierte Position einen solch großen Zulauf hielt, wird Maduro zu denken geben. Offensichtlich hat die hohe Inflation für Zweifel an der Nachhaltigkeit des Umverteilungsmodells gesorgt. Vor allem am Wirtschaftskurs wird Maduro gemessen werden – nicht zuletzt von seinen Wählern.
Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!