Umweltschutz unterm Hakenkreuz

Münchener Historiker untersuchten das Agieren des Bundes Naturschutz in Bayern während der NS-Zeit

  • Lesedauer: 3 Min.
Im Auftrag des Bundes Naturschutz in Bayern (BN), der in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert, haben Wissenschaftler erstmals umfassend die Geschichte des traditionsreichen Umweltverbandes untersucht - und seine Verstrickungen in der NS-Zeit. Aktuelle Brisanz gewinnt die Arbeit durch jüngste rechtslastige Äußerungen eines BN-Kreisgruppenchefs.

München (dpa/nd). Deutsche Naturschutzverbände waren tiefer in die Untaten des NS-Regimes verstrickt als bislang angenommen. »Widerstandsgeist war nirgends zu entdecken«, sagte der Münchner Umwelthistoriker Frank Uekötter in einem dpa-Interview. Neueste Forschungen zur Geschichte des Bundes Naturschutz in Bayern (BN) belegten, dass es sogar zu sogenannten Arisierungen für Naturschutzzwecke gekommen sei.

Uekötter hat im Auftrag des BN zusammen mit zwei Kollegen die Geschichte des vor hundert Jahren gegründeten Verbandes unter die Lupe genommen. Eine entsprechende Veröffentlichung ist für die zweite Jahreshälfte geplant. Es habe bei den Naturschützern insgesamt eine »große Kontinuität« von der Weimarer Republik bis zur Nazizeit und darüber hinaus gegeben, sagte Uekötter. »Man wollte den Naturschutz auch unter den neuen gesellschaftlich-politischen Bedingungen vorantreiben und fragte sich ganz pragmatisch: Was bringt uns das Regime?« Widerstand habe es allenfalls gegen die organisatorische Gleichschaltung gegeben. »Da waren die Naturschützer gute deutsche Vereinsmeier, die sich nicht reinreden lassen wollten.«

Ein Wendepunkt hin zu weitgehend kritikloser Bejahung des Regimes sei das 1935 erlassene Reichnaturschutzgesetz gewesen, sagte Uekötter. »Es war im Grunde genommen die Erfüllung aller Wünsche, die die Naturschützer damals umtrieben. Es ging aber nicht nur um den Buchstaben des Gesetzes, sondern auch die Wahrnehmung, dass Naturschutzinteressen bis in die Spitzen des Regimes unterstützt werden.« Etwa in Person von Hermann Göring, der seit 1935 oberster Naturschützer des NS-Staates war. Das Gesetz ermöglichte erstmals auch entschädigungslose Enteignungen zum Zwecke des Naturschutzes. »Das haben nicht wenige Naturschützer ziemlich skrupellos ausgenutzt«, sagt Uekötter. »Wir haben im Rahmen des BN-Projektes nachweisen können, dass sich der Naturschutz sogar aktiv an Arisierungen beteiligte. So wurde ein Kalksteinbruch bei Regensburg seinem jüdischen Besitzer entrissen, um ihn dann aus Naturschutzgründen stilllegen zu können.«

Eine gewisse Ernüchterung in Naturschutzkreisen sei eingetreten, als sich herausstellte, dass im Krieg auf Naturschutzinteressen so gut wie keine Rücksicht mehr genommen wurde. Die Aufarbeitung ihrer braunen Vergangenheit hätten die Naturschützer nach Kriegsende erst relativ spät in Angriff genommen. »Auch nach dem Krieg gab es erst mal eine enorme Kontinuität. Damals meinte man, die Natur sei besonders bedroht, etwa durch den Volkssport des Holzsammelns. Da wurde die Parole ausgegeben: Wir brauchen jeden Mann, über die Vergangenheit reden wir am besten gar nicht.« Manche Naturschutz-Aktivisten hätten sich durchaus sehnsüchtig an die »glorreichen Zeiten« des Reichsnaturschutzgesetzes erinnert. Uekötter hatte vor vier Jahren bereits die Geschichte des bayerischen Landesbundes für Vogelschutz (LBV) erforscht, der damals sein 100-jähriges Bestehen feierte. Brisanz erhalten seine Erkenntnisse durch rechtslastige Äußerungen des Nürnberger BN-Vorsitzenden Günther Raß, der kürzlich zurücktreten musste.

Im Vorwort zur Januar-Ausgabe der BN-Mitgliederzeitschrift »Mauersegler« hatte Raß den Zuzug von Migranten für den Flächenverbrauch verantwortlich gemacht. »Migranten sollen und wollen sich auch bei uns in Nürnberg wohlfühlen. Doch schnell sind wir bei einem Problem«, schrieb er. Die Natur profitiere nicht vom Zuzug. Neuer Wohnraum werde auf Kosten von Naturflächen geschaffen. »Wie viele Migranten/Ausländer verkraften wir? Wie viel Platz ist noch in Deutschland«, fragte Raß in dem Beitrag.

Die Mitglieder der Allianz gegen Rechtsextremismus der Me-tropolregion Nürnberg, ein Zusammenschluss von Kommunen und Vereinen in der Region, lehnten wegen des Artikels einen Mitgliedsantrag der Nürnberger BN-Kreisgruppe ab. Die angestrebte Allianz-Mitgliedschaft hatte der BN-Chef in seinem Beitrag als Beispiel dafür genannt, wie sich der Nürnberger BN für eine aktive Teilhabe der Migranten einsetze.

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