Malaysia vor dem Machtwechsel?

Erstmals seit der Unabhängigkeit könnte die Opposition bei Parlamentswahlen siegen

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.
13,3 Millionen Malaysier, die sich als Wähler registrieren ließen, werden am Sonntag über ein neues Parlament abstimmen. Nie zuvor in seiner Geschichte war das Land einem möglichen Sieg der Opposition so nah.

Aufregung vor dem Urnengang: Ist die Tinte, mit der die Wähler nach erfolgter Stimmabgabe an einem Finger gekennzeichnet werden sollen, doch abwaschbar? Das wollte die Wahlkommission noch einmal genau prüfen. Die Sorge vor Manipulationen ist groß in Teilen der Bevölkerung wie auch im Ausland, denn für Premier Najib Razak und seine Vereinigte Nationalorganisation der Malaien (UMNO), führende Kraft im Regierungsbündnis Nationale Front (BN), geht es um alles. Bereits bei der Wahl 2008 hatte es die große Oppositionsallianz erstmals seit der Unabhängigkeit von der früheren Kolonialmacht Großbritannien geschafft, die Zweidrittelmehrheit der BN zu brechen. Etwas mehr als 50 Prozent der Stimmen reichten dank des Wahlsystems aber immerhin zur Rettung von 140 der 222 Parlamentssitzen.

Ein Sieg über die einst allmächtige BN ist allerdings seitdem in den Bereich des Machbaren gerückt. Entsprechend zuversichtlich geben sich die Vertreter der aus sehr unterschiedlichen Parteien bestehenden oppositionellen Dreier-Allianz unter Führung von Anwar Ibrahim. Dieser sieht sich gestärkt, nachdem ein Gericht voriges Jahr auch die erneuten Vorwürfe wegen Homosexualität (im mehrheitlich islamischen und streng konservativen Malaysia ein schweres Delikt) letztlich abgewiesen hatte. Sechs Jahre hat der Mann, der einst unter Ex-Premier Mahathir Mohamad als Kronprinz galt, sich dann aber mit seinem Mentor überwarf, nach seiner Entmachtung 1998 im Gefängnis gesessen. Gesundheitlich angeschlagen kam er aus der Haft, wurde aber mit seinem Charisma zur uneingeschränkten Führungsfigur der nun geeinten Opposition.

Es ist vor allem ihm zu verdanken, dass sich neben seiner eigenen Gerechtigkeitspartei (Parti Kaedilan Rakyat/PKR) zwei ideologisch so gegensätzliche Gruppen wie die moderaten Islamisten der PAS und die sozialliberal-säkulare Demokratische Aktionspartei (DAP) zusammengefunden haben. Der Sturz Najibs ist dabei der wichtigste gemeinsame Nenner. Gesellschaftspolitisch liegen PAS und DAP eher über Kreuz: Die Religiösen wollen eine Stärkung des Islam in allen Bereichen, die vor allem in der chinesischen Minderheit (24 Prozent) stark verwurzelte DAP steht in besonderer Weise für die Vielschichtigkeit und Multikulturalität, die Malaysias Gesellschaft eigentlich auszeichnet.

Die PKR dazwischen laviert sehr oft. Sie muss einerseits zwischen diesen Polen vermitteln, damit nicht offener Streit die Allianz schwächt, vermeidet aber bisweilen auch bewusst klare Standpunkte. Anwar präsentiert sich als frommer Muslim, der zugleich liberale Wähler im städtischen Milieu ansprechen will und muss, soll der angestrebte Sieg gelingen - manchmal ein ziemlicher Balanceakt. Wie die »Erneuerung« konkret aussehen soll, die die Opposition anstrebt, bleibt in vielen Punkten schwammig.

Dass es nach über einem halben Jahrhundert Machterhalt von UMNO und Partnern vielerorts verkrustete Strukturen, Stagnation und Korruption gibt, lässt sich nicht leugnen. Das weiß auch Najib, der sich im Rahmen des Systems als vorsichtiger Reformer zu präsentieren versucht, um schwankende Wähler doch noch zu einem Kreuz bei den BN-Kandidaten zu bewegen. Fraglich ist aber, ob das gerade bei den vielen jungen Leuten ankommt. Mehr denn je haben sie es in der Hand, wer vorn liegen wird: 2,6 Millionen nehmen erstmals an einer Wahl teil - 2008 waren es nur gut 600 000, und ein Großteil der nun erstmals Stimmberechtigten tendiert zur Opposition.

26 000 Wahllokale landesweit haben am Sonntag geöffnet. Die Polizisten, die für Ordnung sorgen, haben wie die Soldaten und ihre Familien schon vorab gewählt, insgesamt rund 300 000 Personen. Bei den übrigen Bürgern warben die Kontrahenten Najib und Anwar bis zum Schluss für ihre Kandidaten. Entscheidend ist am Ende, wer mehr Wahlkreise gewinnt, weniger das prozentuale Gesamtergebnis.

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