Reime aus dem Spukschloss

ASAP Rocky spielt im Astra

  • Michael Saager
  • Lesedauer: 3 Min.

Breite Beine, dicke Hose, reichlich Gold im Mund. Man kennt die großspurigen, sagenhaften Töne, die aus den übergroßen Klappen nicht eben weniger Hip-Hop-Stars purzelten. So ging das eine gefühlte Ewigkeit. Doch bereits in den 2000ern begann Hip-Hop bekanntlich arg zu schwächeln, lag wenig später röchelnd am Boden, während Mainstream-R&B superlaut trällernd erstarkte: Billo-Ballo-Langeweile ohne Ende.

Die innovativen Hip-Hop-Alben sind sehr selten geworden. Da gibt es die durchgeknallten Sachen von Tyler the Creator und es gibt Kendrick Lamar. Queer-Rap wird trotz aller Bemühungen politisch aufgeklärter Musikjournalisten auch weiterhin ein Nischendasein fristen. Allerdings ist da noch jemand, der es mit zwei Gratis-Tracks im Netz schaffte, die Aufmerksamkeit der Plattenindustrie derart auf sich zu ziehen, dass die sich nicht lumpen ließ: drei Millionen für ein Debüt sind kein Pappenstiel.

ASAP Rocky heißt dieser Jemand. Er ist 24 Jahre alt und kommt aus Harlem. Er gilt als das größte Supertalent des Hip-Hop, und wenn er an etwas nicht leidet, dann an einem zu kleinen Selbstbewusstsein. So rappt er auf »Long Live ASAP«: »Yeah my mouth is full of gold and I'm a city boy / and my outfit was in Vogue, I'm a pretty boy«. Wow, klingt, als ob die endlosen Jahre der Hip-Hop-Krise reine Erfindung gewesen wären!

Nein, ASAP Rocky ist kein herausragender Lyriker, dafür gibt er viel zu gern an, hat er zu wenig zu sagen. Aber er kann tolle Sachen mit der Zunge machen, hat einen Flow, der nie abreist. Seine Stimme ist hell und klingt so jung, wie er ist.

Das Schöne an ASAP Rockys Musik ist, dass sie weit entfernt ist vom Yacht-Rap eines Jay-Z und noch weiter vom Hupfdohlen-R&B einer Beyoncé. Dass sie sozusagen »strictly underground« ist, aber gleichzeitig erfolgreich im Mainstream stattfindet, obwohl sie einen bisweilen industriell-endzeitlichen Touch hat. Obwohl die Beats auch mal ganz und gar verloren rumstehen wie vereinzelte Zombies auf hartem Liebeskummer. Obwohl es darauf seltsame Geräusche gibt - es knarrt und quietscht und zerrt und rauscht wie in einem fürchterlichen Spukschloss.

ASAP Rocky featured angesagte Sänger und Rapper: Santigold, Drake, Kendrick Lamar und ein paar andere. Sie alle bereichern durch ihren sehr individuellen Style, durch ihren Eigensinn das Album tatsächlich, was keine Selbstverständlichkeit ist und einmal mehr ASAP Rockys musikalische Souveränität bestätigt.

»Long Live ASAP« ist innovatives Kopfkino. Die »Filme«, die es zu sehen gibt, sie spielen mit Dubstep und vereinsamt wirkende Synthie-Akkorde erinnern an Detroit, die ehemalige Hochburg von Techno. Und weil das Album all das ist, darf ASAP Rocky sich ruhig breitbeinig vor der Welt aufbauen. Erstens glaubt er sowieso, dass sie ihm gehört. Zweitens aber ist er tatsächlich besser als der große Rest vom Hip-Hop-Schützenfest.

Konzert: 5.6., Astra Kulturhaus

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