Der Schein trügt

Autorentheatertage am DT: »Du mein Tod« mit Ursula Werner

  • Gunnar Decker
  • Lesedauer: 3 Min.

Um Ursula Werner, Jahrzehnte eine feste Größe am Berliner Gorki-Theater, sehen zu können, muss man derzeit nach München an die Kammerspiele fahren. Das ist für die Münchener schön, für die Berliner schade. Vor allem ist es kein Ruhmesblatt für die ansonsten erfolgreiche - nun zu Ende gehende - Gorki-Intendanz von Armin Petras, der schließlich einem Ensemble mit einem Altersdurchschnitt von Mitte dreißig vorstand. Jugendwahn auf der Bühne hier und vergreisendes Theaterpublikum da - eine Mischung, die gegenseitig nur Missverstehen hervortreibt. Theater aber kann in einer multimedial voranhetzenden Zeit wohl nur dann überleben, wenn es immer wieder Erinnerungsräume zu bilden vermag - und das für mehrere Generationen.

Insofern ist es gut, dass Ursula Werner weiterspielt - wo man sie eben spielen lässt. Und sie zu erleben, das lohnt immer. Auch in dieser Rolle des transsexuellen Robert, der mit 53 Jahren an Eierstockkrebs stirbt. Ein Mann, eine Frau? Das ist in der von Thomas Schmauser erstellten und selbst inszenierten Stückfassung (nach einem authentischen Fall) die Frage, um die alles kreist. Ein Rückblick des inzwischen Gestorbenen, Monolog eines Toten. Erklärtes dramaturgisches Leitmotiv des Abends: »Die überall wirkende Natur stellt jedem Wesen durch die Geburt eine bestimmte Form zur Verfügung. Man kann nur hoffen, dass die Hülle einigermaßen passt oder eben belastungs- bzw. wandlungsfähig genug ist, um das Eigenste hervorzubringen.« Kein Widerspruch dagegen, so ist es. Bereits Jakob Böhme, der protestantische Mystiker und Schuster, hatte vom »androgynen Adam« gesprochen - im Doppelgeschlechtlichen, Zwitterhaften einen Weg zu Gott gesehen.

Nur leider ist das Stück - ein Monolog von ziemlich unmotivierten Gesangseinlagen aus Roberts transsexueller »Wahlfamilie« unterbrochen - nichts, was auf der Bühne irgendwie tragen könnte. Trotz aller Kunstfertigkeit Ursula Werners, den Sätzen noch das abzulauschen, was sie nicht hergeben. Gewiss, das Schicksal Roberts, der - als Transsexueller - lange, so lange, bis es zu spät war, in den USA keinen Arzt fand, der seinen (ihren) Eierstockkrebs behandeln wollte, scheint typisch für das bigotte Amerika. Einerseits treibt gerade hier die »Gender«-Forschung seltsame Blüten, anderseits tabuisiert der herrschende Puritanismus jedes öffentliche Gespräch über das, was nicht ins Bild passt. Leider macht die gute Aufklärungsabsicht noch kein ansehenswertes Theater - im Gegenteil, es wabert!

Am Anfang ist es erst einmal fast zehn Minuten dunkel, es setzt höllischer Maschinenlärm ein, bei dem man um seine Ohren fürchtet, dann öffnet sich ein großes grünes Lattentor und Robert steht in der betont markigen Kluft eines Südstaatenlandmannes da. Ein ständig rauchendes Klischeebild von Mann, um den sogar der örtliche Ku-Klux-Klan wirbt. Was für eine bombastische Verfehlung ist diese Anfangsszene! Minimalismus wäre gefordert gewesen, wo es doch um Zwischentöne gehen soll. Und statt dessen nun den Text, der ohnehin eher wie für angehende Sozialarbeiter geschrieben wirkt, als sachlich-protokollierenden Monolog Ursula Werner zu übergeben, will Schmauser Betroffenheit erzeugen, probiert Pathos an der falschen Stelle, es gleitet in pure Sentimentalität ab. Die erfahrene Ursula Werner unterspielt das, so gut es eben geht (und das macht sie gut!), aber der Abend ist von einer Betroffenheitssoße, die immer wieder über die Szene schwappt, am Ende doch ruiniert.

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