Glauben Sie's oder nicht ...
Kontinuität als Wesen staatlichen Handelns
Schwerin, 13. Januar 1994. Die Staatsanwaltschaft teilt mit, dass das Ermittlungsverfahren gegen die GSG-9-Beamten »Nr. 6« und »Nr. 8« eingestellt wird, weil »keine Anhaltspunkte bestehen, dass Grams von einem Polizeibeamten rechtswidrig getötet oder verletzt worden ist«. Als der Leitende Oberstaatsanwalt Schwarz in ungläubige Journalistenaugen schaut, sagt er: »Es ist wirklich nichts mehr drin in der Sache - glauben Sie›s oder glauben Sie‹s nicht.«
Wenn man derzeit zu den vom »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) verübten Morden und Anschlägen sowie möglichen Verstrickungen staatlicher Stellen in das Nazi-Terrornetzwerk recherchiert, begegnen einem wieder Damen und Herren, die entweder alternativlose Erklärungen anbieten oder schlichtweg leugnen, was ihnen nicht passt. Dabei vergehen sie sich durchaus auch an Grundlagen der Logik oder Gesetzen der Physik.
Sie können sich kurioserweise auf das stützen, was zum wichtigsten Arbeitsmaterial der Öffentlichkeit gehört - auf Informationen. Dank moderner Medien und dank des kommerziellen Wettbewerbs um Auflagen und Quoten werden Nachrichtenschleusen geöffnet und die Öffentlichkeit mit wirklichen und davon kaum zu unterscheidenden Scheinwahrheiten überschwemmt. Mit dem Ergebnis massenhafter Ignoranz und gesellschaftlicher Demenz gegenüber staatlichem Handeln.
Nehmen wir das Beispiel V-Leute. Derzeit herrscht großes Erstaunen darüber, mit welchen Typen sich Behörden einlassen. Man alimentiert Verbrecher, macht sich von ihnen abhängig. Was hatte man vor 20 Jahren nicht alles versprochen, als die Rolle des V-Mannes Klaus Steinmetz klar wurde, dem es gelungen war, ins Umfeld der RAF-Führungsebene zu gelangen, und der in Bad Kleinen ebenfalls zunächst verhaftet wurde. Erst als der öffentliche Druck aufgrund der seltsamen Umstände des Einsatzes zu groß wurde, offenbarten die Behörden, dass er V-Mann war.
Was hat sich geändert? Mit Sicherheit nicht das Verantwortungsbewusstsein der Verantwortlichen für solche Zuträger. Noch krasser ist es, wenn von parlamentarischer Kontrolle der Geheimdienste die Rede ist. Immer wieder lassen sich Demokraten von dieser Fiktion betrügen.
Bevor der NSU-Bundestags-Untersuchungsausschuss mit einer Befragung beginnt, belehrt der Vorsitzende jeden Zeugen, dass auch eine uneidliche Falschaussage mit einer Haftstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren belegt werden kann. Grob überschlagen ließe sich nach der gut einjährigen Ausschussarbeit wohl ein ganzer Gefängnistrakt füllen. Doch damals wie heute - nicht ein einziger der Staatsdiener musste oder muss auch nur die Sorge haben, von einem Richter in diese neue Lebenswelt überwiesen zu werden.
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