Deutschland spart sich die Ärmsten
Entwicklungsetat bleibt auf niedrigem Niveau / Misereor übt Kritik
Solidarität ist seine Sache nicht: Obwohl Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Milliarden an Zinszahlungen spart, weil die durch die Eurokrise bedingte Kapitalflucht nach Deutschland die Refinanzierungskosten auf historische Niedrigwerte drückt, hält Schäuble seinen Daumen auch auf dem Entwicklungsetat. Nach Berechnungen des linker Umtriebe unverdächtigen Allianz-Chefvolkswirts Michael Heise spart die Bundesregierung derzeit durch das Niedrigzinsniveau jährlich zehn Milliarden Euro. Das ist mehr als der gesamte Entwicklungsetat. Der soll auch 2014 auf dem Niveau von 6,3 Milliarden Euro bleiben. Von der international gegebenen Zusage, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben, bleibt Deutschland damit weiterhin deutlich entfernt und dümpelt unter 0,4 Prozent.
»Unsere Befürchtungen vom vergangenen Jahr, dass hier ein falsches Signal gesendet wird, haben sich bestätigt. Es ist keine gute Botschaft für die Armen in den Entwicklungsländern, wenn das wirtschaftlich stärkste Land in Europa hier hinter seinen Möglichkeiten bleibt«, meinte Prälat Karl Jüsten, Vorsitzender der Katholischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (KZE), gestern in Berlin. Bei der gemeinsamen Bilanzpressekonferenz von KZE und dem Hilfswerk Misereor mahnte Monsignore Pirmin Spiegel vor der anstehenden Bundestagswahl ein Umdenken an. »Mehr weltweite Gerechtigkeit und der Kampf gegen Armut werden nur gelingen, wenn wir die Politik in Deutschland wesentlich stärker mit Blick auf ihre globalen Zusammenhänge gestalten«, so der Hauptgeschäftsführer von Misereor.
Mit Blick auf die Hungerbekämpfung forderte Spiegel, die Subventionierung von Agrotreibstoffen, die in direkter Konkurrenz zu Nahrungsmitteln stehen, ohne Wenn und Aber zu beenden. Stattdessen sei eine Verkehrswende notwendig, zum Beispiel durch eine Förderung von effizienteren Fahrzeugen und dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.
Auch im Kampf gegen Steuerflucht forderte Spiegel schnelle Beschlüsse: »160 Milliarden US-Dollar verlieren Entwicklungs- und Schwellenländer jedes Jahr an Steuereinnahmen, weil multinationale Konzerne durch Steuervermeidungsstrategien ihre Gewinne in Steueroasen verschieben. Auf diese Weise erhöhen Unternehmen ihre Profite auf Kosten der Länder, deren Rohstoffe, Infrastruktur und Bildungssysteme sie in Anspruch nehmen«, erklärte der Misereor-Chef. »Daher ist es für die Entwicklungsländer wichtig, dass die nächste Bundesregierung Maßnahmen zur Schließung von Steueroasen und gegen die Steuervermeidungsstrategien transnationaler Unternehmen beschließt«, so Spiegel. Ob der künftige Finanzminister Schäuble heißt oder anders: Große Sprünge im Entwicklungsetat sind weiter nicht zu erwarten.
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