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Verräter?
Leseprobe
Die Menschen, so soll Julius Cäsar gesagt haben, lieben den Verrat, aber sie verachten den Verräter. In dieser Annahme einer Ambivalenz von Neugier, Interesse und emotionaler Zustimmung einerseits sowie Ablehnung und Abscheu andererseits liegt vielleicht einer der Gründe, warum über das Denunzieren als einer spezifischen, sehr persönlichen, sehr »nahen« Form des Verrats so gern und ausführlich Geschichten erzählt werden. Die Nähe ist es, die das beste, umfassendste, vertraulichste Wissen schafft, das verraten werden könnte. So hat die Kulturwissenschaftlerin Eva Horn bemerkt: »Nur als Freund kann der Verräter zum Feind werden; nur als Freund trifft er den empfindlichsten Punkt und hat er das sorgsam gehütete Wissen.«
Doch ist dieses offenbarte Wissen selten eindeutig. Gerade weil es dem Verborgenen entrissen werden soll, bedarf es einer Erzählung, die Sinn und Plausibilität stiftet. So entstandene Geschichten ... drehen sich zumeist ganz wesentlich um die Figur des Denunzianten oder der Denunziantin selbst, dieser augenscheinlich ebenso faszinierenden wie abstoßenden Person. Neben dem Wissen stehen mithin häufig Motivation und Rechtfertigung im Zentrum des Interesses, nicht selten geht es auch darum, die Handlungsweise der Person zu charakterisieren - als falsch oder richtig, als Denunziation oder aber als etwas anderes, weniger Anstößiges, weniger Niederträchtiges, womöglich gar Ehrenhaftes. Derlei Erzählungen lassen sich für die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika während des 20. Jahrhunderts leicht identifizieren.
Aus Olaf Stieglitz »Undercover. Die Kultur der Denunziation in den USA« (Campus, 395 S., geb., 34,90 €).
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