Aufhaltsamer Aufstieg

Die Neue Rechte in Europa

  • Gerd Wiegel
  • Lesedauer: 2 Min.

Seit mehr als 20 Jahren lässt sich innerhalb der europäischen politischen Rechten ein Erneuerungsprozess verfolgen, der inzwischen sehr unterschiedliche Facetten zutage gefördert hat. Als Beginn der sogenannten Neuen Rechten wird zumeist die 1986 von Jörg Haider übernommene FPÖ angesehen, die es Ende der 1990er Jahre zur zweitstärksten Kraft in Österreich brachte und erstmals auf gesamtstaatlicher Ebene in Regierungsverantwortung kam. Zahlreiche Parteien in zumeist westeuropäischen Ländern folgten deren Vorbild und konnten so ebenfalls direkten oder indirekten Einfluss auf die nationale Regierungspolitik erlangen.

Die Beiträge des von Peter Bathke und Anke Hoffstadt herausgegebenen Bandes gliedern sich in vier Teile. Sie untersuchen die politischen und ideologischen Voraussetzungen des erfolgreichen Rechtspopulismus, dessen Aufstieg und die konkrete Ausprägungen in einzelnen europäischen Ländern, die dominanten ideologischen Versatzstücke und schließlich die möglichen politischen Alternativen zu dem durchaus aufhaltsamen Aufstieg des Rechtspopulismus.

Für die 90er Jahren wird häufig auf die erfolgreiche Adaption neoliberaler Ideologieelemente durch die extremen Rechten verwiesen. Damit wurden Parteien wie die FPÖ oder die Alleanza Nazionale in Italien für die etablierten konservativen Parteien als Bündnispartner interessant. Als zentrales Element rechtspopulistischer Politik wird von vielen Autorinnen und Autoren des hier angezeigten Bandes die »Ethnisierung der sozialen Frage« benannt, mit der der traditionelle Rassismus, aber auch die auf Konkurrenz und Wettbewerb gerichteten Inhalte des Neoliberalismus verbunden werden können.

Die hier gebotenen Länderbeispiele reichen von Italien über Dänemark und die Niederlande bis Ungarn. Überaus erhellend ist die Darstellung des »Berlusconismus« durch Karin Priester. Sie veranschaulicht, wie ein oft belächelter, nicht ernst genommener Politiker erfolgreich unterschiedliche bürgerliche Teile der Wählerschaft bedienen und derart seine Hegemonie über mehr als ein Jahrzehnt aufrechterhalten konnte - ohne, dass ein Ende abzusehen ist.

Ungeklärt ist nach wie vor die Tragweite des Begriffs »Rechtspopulismus«. Die meisten Autorinnen und Autoren dieses Bandes verstehen darunter vor allem eine inhaltliche Adaption neoliberaler Politikelemente, die Überwindung faschistischer Politikkonzepte bei gleichzeitiger Beibehaltung zentraler Inhalte der extremen Rechten (Rassismus, Nationalismus) und die Etablierung eines spezifischen Politikstils. Dennoch bleiben Fragen. Welche Parteien kann man unter diesen Begriff begründet fassen und welche keinesfalls (z. B. die NPD)? Somit bietet der Band nicht nur einen guten Überblick zur aktuellen, besorgniserregenden Entwicklung in Europa, sondern auch genügend Anstöße für die weitere Forschung und weitere Debatte.

Peter Bathke/Anke Hoffstadt (Hg.), Die Neue Rechte in Europa. Zwischen Neoliberalismus und Rassismus. PapyRossa, Köln 2013. 362 S.,br., 18 €.

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