Voraus zur alten, heiligen Ordnung

Schweiz in der Abtreibungsfrage gespalten

  • Sabine Hunziker, Bern
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Abtreibungsgegner in der Eidgenossenschaft sind nicht nur auf der Straße präsent. Sie wollen auch mit zwei Volksinitiativen das Rad der Zeit zurückdrehen.

Inzwischen hat er schon fast Tradition: der »Marsch fürs Läbe«. So nennt sich die Demonstration, zu der Abtreibungsgegner in der Schweiz alljährlich aufrufen. In Zürich fand der Marsch am 14. September zum vierten Mal statt. Die Organisatoren berufen sich auf den Artikel »das Recht auf Leben für alle Menschen« in der Schweizerischen Bundesverfassung. Die »Tötung« von Kindern bis zum dritten Schwangerschaftsmonat ist mit der Legalisierung der Abtreibung 2002 zwar straffrei, aber verfassungswidrig, sagt Marian Eleganti, Bischof und ein Redner auf der Demonstration. Er ist kein Unbekannter: 15 Jahre gehörte er einer ultrakonservativen Gruppierung an, vom österreichischen Priester Josef Seidnitzer gegründet. Seidnitzer wurde suspendiert und betrieb danach illegal ein Priesterseminar. 1990 teilte sich das Priesterwerk. Marian Eleganti kam zu den Missionsbenediktinern. Andere gingen nach Rom zu Pavel Hnilica, der in der Tschechoslowakei eine Gruppe organisiert hatte, um den katholisch-antikommunistischen Widerstand in Osteuropa zu stärken.

Über diese Kameraden lernten Eleganti und Pfarrer Hansjürg Stückelberger, ein weiterer Redner beim Marsch, einander kennen. Stückelberger ist Gründer des Hilfswerks CSI, das sich für verfolgte Christen einsetzt. 1977 gegründet, veranstaltete CSI Schweigemärsche für Verfolgte in der Sowjetunion. Spektakulär waren die Freikaufaktionen von Christen, die während eines Bürgerkrieges in den nördlichen Sudan verschleppt wurden. Stückelberger engagierte sich neu islamkritisch - es entstand die Zeitschrift »Zukunft.CH«, welche »eine schleichende Einführung der Scharia verhindern will«. Das Blatt und Mitglied von »Marsch fürs Läbe« berichtet über Probleme wie Werteverfall, Homo-Ehen, Sozialhilfebezieher und kann damit auch Parteien wie die Schweizerische Volkspartei (SVP) begeistern.

Die Abtreibungsgegner haben auch zwei Volksinitiativen auf den Weg gebracht. Daniel Regli, Mitorganisator des »Marsches fürs Läbe«, betont jedoch, dass kein Zusammenhang zwischen dem Verein Marsch fürs Läbe und den Abtreibungsinitiativen bestehe. 2010 hat eine Gruppe von Parlamentariern mit der Unterstützung des Vereins »Mamma« die Initiative »Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache« initiiert. Zu dem Komitee gehören elf Mitglieder der SVP und sieben der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP). »Mamma« findet man auch im Impressum des Flyers vom »Marsch fürs Läbe 2012«. Als Argument für die Initiative wird auf Kosteneinsparungen verwiesen: Künftig sollen die Kosten für Abtreibungen nicht mehr von der Grundversicherung der Krankenkasse übernommen werden. In der Schweiz ist Schwangerschaftsabbruch seit 1981 eine Pflichtleistung der Krankenversicherung.

Die Abtreibungsgegner haben noch mehr Pfeile im Köcher: Seit Jahresbeginn werden Unterschriften für die Initiative »Lebensschutz stopft Milliardenloch« mit dem Initiativentext gesammelt. Organisiert aus dem Umfeld von »Ja zum Leben«, einem Mitglied von »Marsch fürs Läbe«. Jedes Jahr werden rund 10 000 Kinder abgetrieben. Dies koste viel und ergebe einen »Fehlbetrag in Milliardenhöhe«. Das Komitee fordert ein Abtreibungsverbot, aber auch Sterbehilfe soll untersagt werden. Die Unterschriftensammlung dauert noch bis August 2014.

Zuvor wird in der Schweiz aber am Sonntag noch über die Wehrpflicht abgestimmt. Laut letzten Umfragen will nur ein Drittel der Stimmberechtigten den Vorschlag zur Abschaffung der Wehrpflicht unterstützen. Das Referendum war von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) durchgesetzt worden.

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