Flüchtlinge bleiben unerwünscht
Auf Druck aus Deutschland weigern sich EU-Innenminister die Asylgesetzgebung zu ändern
Für den deutschen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stand schon vor Beginn des Treffens mit seinen europäischen Amtskollegen in Luxemburg fest, dass die EU-Asylpolitik auch nach der Tragödie auf Lampedusa vom vergangenen Donnerstag nicht angetastet wird. Mit dem Satz »Dublin II bleibt unverändert, selbstverständlich«, untermauerte er seine und damit die Auffassung der Bundesregierung, Deutschland sei bereits für genügend Schutzwürdige offen. Weiterhin bleibe das Land für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Bearbeitung ihrer Asylanträge zuständig, in dem Ankömmlinge zuerst die Europäische Union erreichen.
Den italienischen Kollegen, die das Thema Asylgesetzgebung auf die Tagesordnung des Ratstreffens am Dienstag setzen ließen, schnitt Friedrich damit das Wort ab. Der Innenminister Angelino Alfano wollte einen europäischen Aktionsplan fordern, um sein Land bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu unterstützen. Ministerpräsident Letta kündigte derweil an, das strenge italienische Einwanderungsgesetz zu überdenken. Seit 2009 stellt es »illegale Einwanderung« unter Strafe. So wird gegen die 155 Überlebenden des Unglücks auf Lampedusa ermittelt.
Auch am Dienstag wurden vor der Küste der Mittelmeerinsel weitere Todesopfer geborgen. Ihre Zahl stieg auf 274. Nach Angaben der Überlebenden befanden sich zum Zeitpunkt des Brandes, der den Kutter am frühen Donnerstagsmorgen zum Kentern brachte, 518 Menschen an Bord. Laut tagesschau.de ist nun der Kapitän festgenommen worden. Gegen den 35-jährigen Tunesier wird unter anderem wegen mehrfachen vorsätzlichen Totschlags und Havarie ermittelt, wie italienische Medien unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft berichteten.
Für Unmut sorgten auch erneut die Bedingungen im Auflanglager von Lampedusa. Internierte Flüchtlinge warfen Medienberichten zufolge Matratzen aus den Gebäuden und versuchten, Busse mit Neuankömmlingen auf dem Weg ins das überfüllte Lager aufzuhalten. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR teilte mit, die dortigen Lebensbedingungen seien »vollkommen inakzeptabel«.
Die Regelungen zur Inhaftierung von Schutzsuchenden sind Bestandteil des im Juni letzten Jahres verabschiedeten Gesetzespakets zum Europäischen Asylsystem. Mehr Beachtung als notwendige Änderungen an diesem sollte am Dienstag das von Friedrich bereits mehrfach vorgebrachte Thema der sogenannten »Armutszuwanderung« erhalten. Die EU-Kommission reagierte nun mit zweierlei: Sie präsentierte einen Aktionsplan zur Unterstützung der EU-Staaten bei der Bekämpfung von Zweckehen und zur einfacheren Ermittlung der Wohnsitze der Einwanderer. Zudem soll Geld aus dem Europäischen Sozialfonds ab 2014 verstärkt in die soziale Integration und den Kampf gegen Armut gesteckt werden.
Die Präsentation der der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« vorliegenden Studie des Sozialkommissars László Andor zur Bedeutung des Zuzugs aus Osteuropa blieb Brüssel dagegen noch schuldig. Friedrichs Äußerungen über vermeintlichen Missbrauch der Freizügigkeit werden in dem Bericht nicht bestätigt. Der Anteil der EU-Zuwanderer habe sich im vergangenen Jahrzehnt zwar von 1,3 Prozent auf 2,6 Prozent der EU-Bevölkerung verdoppelt. Zugleich ist der Anteil der nicht arbeitenden Zuwanderer innerhalb der EU zwischen 2005 und 2012 aber von 47 auf 33 Prozent gesunken.
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