Das neue Libyen in alter Rolle

Die Flüchtlingspolitik der Gaddafi-Zeit setzt sich fort

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach der erneuten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer hat Maltas Regierungschef Joseph Muscat eine »klare Strategie« der Europäischen Union in der Flüchtlingspolitik angemahnt. Muscat war am Sonntag aus Libyen zurückgekehrt, wo er mit seinem Amtskollegen Ali Seidan über dieses Problem konferiert hatte. Es ist allerdings höchst unklar, in welcher Hinsicht das EU-Mitgliedsland Malta die »klare Strategie« verstanden wissen möchte. Das maltesische Klagelied hört sich nicht danach an, dass Muscat nun die EU-Abschottungspolitik, brandmarken wollte, sondern mehr nach Missmut, mit der praktischen Durchführung der Drecksarbeit allein gelassen zu werden.

Noch weniger sprechen die Äußerungen seines libyschen Gesprächspartners Seidan für in der Zukunft günstigere Fluchtbedingungen von Libyen nach Norden. Die Überlebenden des neuerlichen Bootsunglücks im Mittelmeer Ende vergangener Woche waren nach eigener Aussage von libyschen Marinebooten beschossen worden. Dies hatte zum Tode von mindestens 30 der Passagiere geführt. Seidan jedenfalls verzichtete im Gegensatz zu manchem verantwortlichen EU-Politiker auf jegliche heuchlerische Einlassung.

Es sieht so aus, als sei die Verhinderung von Fluchten über das Mittelmeer von libyschem Boden aus die einzige außenpolitische Kontinuität aus der Zeit der Gaddafi-Herrschaft, der sich das neue Libyen verpflichtet fühlt. Der vor zwei Jahren nach einem NATO-Luftkrieg getötete Staatschef Muammar al-Gaddafi hatte mit der EU ein Abkommen geschlossen, das verkürzt lautete: Ihr zahlt, und ich halte euch afrikanische Flüchtlinge vom Leibe. Wie, muss euch nicht interessieren.

Und es interessierte sie auch nicht. Gaddafi verlangte dafür fünf Milliarden Dollar. Genaueres oder überhaupt eine Bestätigung dafür gab es aus Brüssel nicht. Gaddafi allerdings fühlte sich zum großen Ärger der Eurokraten an kein Schweigegelübde über den Todeshandel gebunden. Bei seinem letzten Staatsbesuch in Italien im August 2010 schmetterte er es dem pikiert schweigenden Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi entgegen: Libyen sei das Eingangstor der »unerwünschten Immigration« nach Westeuropa. Diese könne nur an den Grenzen seines Landes gestoppt werden. Es liege deshalb ganz im Interesse der EU, auf seine Milliardenforderung einzugehen, »sonst kann Europa schon morgen zu einem zweiten Afrika werden«. Auch das haben die EU-Saubermänner Gaddafi nie verziehen.

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