Deutschland stützt Atommächte

Bundesregierung verweigert Unterschrift zu UNO-Erklärung gegen Nuklearwaffen

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Besitz von Atomwaffen diene letztlich der Wahrung des Friedens. Das sagt die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion.

Schon zum vierten Mal hat sich Deutschland geweigert, eine internationale Erklärung zu unterzeichnen, nach der Atomwaffen »nie wieder und unter keinen Umständen« mehr eingesetzt werden dürfen. 124 Staaten setzten am Montagabend in der UN-Generalversammlung in New York ihre Unterschrift unter ein Schriftstück, das die Auswirkungen des Einsatzes von Atomwaffen auf Menschen im Fokus hat. Deutschland lehnte die Unterzeichnung mit der Begründung ab, die glaubwürdige Abschreckung der NATO beinhalte auch die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, Atomwaffen einzusetzen.

Die Erklärung geht auf eine Initiative der Schweiz zurück. Sie strebt die konsequente Ablehnung von Atomwaffen ähnlich dem Verbot chemischer Waffen an. Der erste Entwurf, den die Schweiz am 2. Mai 2012 bei der Konferenz des Atomwaffensperrvertrags in Wien vortrug, erhielt lediglich 16 Unterstützer. Das zweite Mal legte die Schweiz ihre Erklärung im Oktober vor einem Jahr vor. 35 Staaten unterzeichneten das Schriftstück. Beim erneuten Anlauf im April dieses Jahres, als Südafrika einen Entwurf vorlegte, waren bereits 80 Staaten dabei. Japan geriet international besonders in die Kritik, weil es als Staat, dessen Bevölkerung die tödlichen Auswirkungen der von den USA im Jahr 1948 abgeworfenen Atombombe über Hiroshima zu spüren bekommen hatten, die Unterzeichnung ablehnte. Am Montag setzte nun auch die japanische Regierung ihre Unterschrift unter die »Gemeinsame Erklärung über die humanitären Auswirkungen von Nuklearwaffen«.

In der vergangene Woche veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion erklärt die Bundesregierung ihre Ablehnung mit der glaubwürdigen Abschreckungspolitik der NATO. In der Erklärung werden Atomwaffen »per se und nicht nur ihrem Einsatz katastrophale Wirkungen zugeschrieben. Damit wird bereits der Besitz von Nuklearwaffen zur Abschreckung einer Aggression in Frage gestellt«, so die Bundesregierung. Das aber widerspreche dem Strategischen Konzept der NATO von 2010. Darüber hinaus wehrt sich die Regierung gegen die Formulierung »unter allen Umständen« (»under any circumstances«), die sich in der Erklärung findet. Der Besitz von Atomwaffen sei nicht völkerrechtswidrig und diene letztlich der Wahrung des Friedens.

»Die humanitären Auswirkungen von Atomwaffen sind erkannt, dramatisch und nicht kontrollierbar in Raum und Zeit«, sagte Martin Hinrichs vom deutschen Zweig der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) am Dienstag in Berlin. Die Organisation hatte zu einer Protestaktion am Dienstagmorgen vor dem Auswärtigen Amt aufgerufen. Dort entrollten Aktivisten einen Banner mit der Aufschrift »Atomwaffen ächten«. »Die Bundesregierung hat die Verantwortung, die deutsche Bevölkerung vor einer derartigen Katastrophe zu schützen«, fügte Hinrichs hinzu. Zwar sei Deutschland selbst keine Atommacht, müsse aber international Druck ausüben, um die Staaten, die im Besitz von Atomwaffen sind und diese teilweise auch einsetzen, zur Abrüstung zu bewegen.

Stattdessen hat sich die Bundesregierung mit ihrer Ablehnung der Erklärung auf die Seite der Atommächte gestellt, die geschlossen ihre Unterschrift verweigerten. Atomwaffen besitzen die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und die Volksrepublik China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Auch Australien und Kanada sowie die Mehrheit der NATO-Mitgliedstaaten lehnten die Unterzeichnung ab.

Vor zwei Wochen stellte ICAN eine Untersuchung vor, nach der deutsche Finanzinstitute mit einem Volumen von insgesamt knapp 7,6 Milliarden Euro an der Finanzierung von Unternehmen beteiligt sind, die Kernwaffen herstellen. ICAN zufolge geben auch Banken in öffentlicher Hand Atomwaffenherstellern Geld. Die viert- und fünftgrößten Finanziers sind demnach die bayrische und die hessische Landesbank.

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