Geburtstagsfeier für Ruhrpott-Nazi
Von Dortmund nach Baden-Württemberg: Verbotenes Konzert für Siegfried Borchardt wurde verlegt
Wer von Karlsruhe aus Richtung Strasbourg fährt, muss sich abends schon konzentrieren, um wach zu bleiben. Rechts und links der Bundesstraße 36 ist es meist stockdunkel - das Gebiet ist dünn besiedelt. Irgendwann, ein paar Kilometer südlich von Rastatt, geht es dann rechts ab, zum Veranstaltungsort - ein ungewohnter Weg für all die Autos mit Kennzeichen aus Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder Hessen, die am Samstagabend das »Rössle« angesteuert haben.
Zumal die Nazis erst wenige Stunden zuvor erfahren hatten, dass das Konzert, das die Dortmunder Polizei am Freitag verboten hatte, nun in Rheinmünster-Söllingen stattfinden würde. In dem großen Dorfgasthof, der lokalen Antifaschisten seit Jahren als Basis der Naziszene bekannt ist, hing dann hinterm Schlagzeug das Transparent, das den Jubilar ehrte: Eine Zeichnung von Siegfried Borchardt, besser bekannt als »SS Siggi« - mit Lorbeerkranz und dem Schriftzug »Alles für Dortmund«. Zu Ehren des Nazis aus dem Ruhrpott waren die Bands »Sachsonia«, »Words of Anger« und »Klänge des Blutes« angekündigt, ehe der Star des Abends die Bühne betrat: Michael »Luni« Regener, Ex-Sänger der als »kriminelle Vereinigung« verbotenen Band »Landser«.
Zwei Tage zuvor, am 14. November, hatte Borchardt Geburtstag, Deutschlands wohl bekanntester Nazi-Hooligan, der als Gründer der Dortmunder »Borussenfront« schon in den 1980ern traurige Berühmtheit erlangte. »SS Siggi« ist eine Ikone der deutschen Naziszene, schon in der Vergangenheit waren seine Geburtstage ein nationales Ereignis mit Anwesenheitspflicht für alle, die in der Szene etwas auf sich halten.
Da wundert es auch nicht, dass zur diesjährigen Geburtstagsfeier ein Barde aufspielte, der überall, wo er auftritt, die Hallen füllt. »Luni« gilt der deutschen Naziszene als »Märtyrer«, weil er - im Gegensatz zu seinen Bandkollegen - 2005 lieber für fast drei Jahre ins Gefängnis ging, als gegenüber der Staatsanwaltschaft auszusagen. Die »Landser«-Nachfolgeband »Lunikoff-Verschwörung« ist kaum weniger radikal. Regener selbst wirbt auf seiner Homepage für die NPD, nennt die Bundesregierung »ZOG« (»zionist occupied governement«, zionistisch besetzte Regierung») und trifft damit den Ton, der seinen Fans gefällt. Zum ersten Konzert nach seiner Haftentlassung strömten 2009 4000 Nazis nach Gera.
So viele sind am Samstag nicht nach Söllingen gekommen - die Polizei zählte 120 Teilnehmer. Die Mobilisierung war wohl doch zu kurzfristig.
Borchardt selbst war indes offenbar nicht vor Ort, zumindest beklagen das einige seiner Fans im Internet. Doch auch in Abwesenheit des Dortmunder Kreisvorsitzenden der Partei «Die Rechte», einem Auffangbecken für Mitglieder verbotener Neonazikameradschaften, hatte seine Partei einen Infostand im «Rössle» aufgebaut.
Das Konzert am Samstagabend war das fünfte Nazikonzert, das seit Juni im «Rössle» stattfand. Wirt Günter S. hat gegenüber Gewerkschaftern mehrfach betont, er überlasse den Rechten seine Wirtschaft nicht aus Sympathie, ihm sei vielmehr «egal, woher das Geld komme».
Das kann man wohl sagen: Mitglieder der Nazi-Kameradschaften in Rastatt und Karlsruhe nutzen das «Rössle» als Treffpunkt, nach Informationen der Antifa wurde das Konzert von «Division Germania» und «Kommando Skin» am 22. Juni von einem pfälzischen Hammerskin organisiert, einer ultrarassistischen, konspirativen Neonazi-Gruppe. Seither fanden vier weitere Konzerte mit bis zu 350 Besuchern statt. S. hat die Konzession für zwölf Gigs im Jahr - gut möglich also, dass Söllingen an den verbleibenden sechs Wochenenden des Jahres wieder Besuch bekommt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.