Homophobe Querfront
Die Familienkonferenz des »Compact«-Magazins in Leipzig trifft auf Widerstand
Das ursprüngliche Plakat musste geändert werden - es war zu zwei Dritteln hinfällig. Als Zugpferde der Familienkonferenz, zu der das Magazin »Compact« und sein Chefredakteur Jürgen Elsässer für Samstag nach Leipzig einladen, zeigte es Thilo Sarrazin, Eva Herman und Peter Scholl-Latour. Die beiden letzteren indes haben abgesagt. Scholl-Latour sei »kurzfristig« im Ausland gefragt; die frühere TV-Moderatorin fühle sich angefeindet und bedroht, schrieb Elsässer in einer Mail an die Konferenzteilnehmer.
Auch die verbleibenden Gäste und Redner, darunter Frauke Petry, sächsische Landeschefin der »Alternative für Deutschland«, sollen sich bei der Veranstaltung im »Globana Airport Center« in Schkeuditz am Leipziger Stadtrand nicht ungestört fühlen. Dafür will ein Bündnis sorgen, das gegen die Konferenz mobil macht. Neben einer Gegenkonferenz, die bereits am Freitag in der Leipziger Uni stattfinden soll, sind für Samstag Proteste am Konferenzort geplant. Man wolle die Veranstaltung »so teuer wie möglich« machen, sagte eine Sprecherin von »No Compact«.
Die Kritiker rechnen mit einer schwulenfeindlichen Veranstaltung. Deren Titel lautet: »Werden Europas Völker abgeschafft?«; im Untertitel ist von Familienfeindlichkeit und »sexueller Umerziehung« die Rede. Zwar verwahrt sich Elsässer gegen den Vorwurf der Homophobie. Die Referentenliste lässt aber anderes erwarten. Dort stehen Elena Misulina, Abgeordnete in der russischen Duma und Autorin der dort verabschiedeten schwulenfeindlichen Gesetze, sowie Beatrice Bourges, die in Frankreich die Proteste gegen die Homoehe anführt. Auch im Magazin selbst wurden wiederholt ähnliche Töne angeschlagen, so in einem Schwerpunktbeitrag mit dem Titel »Schulfach schwul«.
Die Veranstaltung am Samstag ist die dritte von »Compact« durchgeführte größere Konferenz, die zweite davon in Leipzig. 2011 ging es um die Anschläge auf das World Trade Center. Kritiker sprachen anschließend von »kruden Verschwörungstheorien«, die freilich eines der Markenzeichen von »Compact« und seines Herausgebers sind. Daneben verträten einige der regelmäßigen Autoren auch antisemitische und rechtspopulistische Positionen, sagt Steffen Juhran von »No Compact«. Mit den Protesten wolle man darauf hinweisen, dass in dem Heft der Gestus des »Tabubrechens« bedient, dabei jedoch »alle Facetten von Menschenfeindlichkeit« vertreten würden. Es handle sich »nicht um eine legitime Quelle unorthodoxer Meinungen«.
Etwas zurückhaltender ist das Urteil, das David Begrich vom Verein »Miteinander« fällt. Das Magazin sei »nicht einfach einzuordnen«. Viele Positionen seien am rechtskonservativen Rand angesiedelt und in einer »nationalistischen Tonlage« gehalten. Zudem werde gegen eine vermeintliche »Diktatur der politischen Korrektheit« angefochten. Sowohl viele Themen als auch der Gestus seien »anschlussfähig« an die extreme Rechte. Begrich spricht allerdings eher von »assoziativen Verbindungen« und weist darauf hin, dass Kernthemen der Rechtsextremen fehlen, etwa NS-Nostalgie oder offener Rassismus - was nicht heißt, dass Ressentiments nicht bedient würden.
Der von Juhran vertretenen These, der Ex-Linke Elsässer propagiere eine Art »Querfront«, also die Annäherung linker und rechter Positionen, widerspricht Begrich. Ganz gleich, ob der jetzige »Compact«-Herausgeber für Publikationen wie »konkret«, »junge Welt«, »neues deutschland« (bis 2009) oder sein jetziges Magazin schreibe: »Jürgen Elsässer geht es zuerst und vor allem stets um Jürgen Elsässer.«
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