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Zwischen Feddering und Zembin

Ocke Bandixen gelang ein »Wenderoman« für Liebhaber der leisen Töne

  • Lilian-Astrid Geese
  • Lesedauer: 3 Min.

Als Peer Leversen im nordfriesischen Feddering auf die Idee kommt, die Außenwand seines Gartenhauses mit Schiffen zu bemalen, ruft die Nachbarin seinen Sohn Peter an. Aus der ostdeutschen Kleinstadt, in der er nach dem Mauerfall drei Monate verbringt, soll er schnell zurück in den Westen. Einladungskarten, die darf der verwitwete Vater, ein Tischler und Freizeitkünstler, bunt gestalten. Und »richtige Bilder« malen darf er sowieso. Aber Mauern? Selbst nicht in einer Zeit, in der es für einen kurzen, historischen Moment so scheint, als könne alles anders werden. Der »Eiserne Vorhang« hat sich geöffnet, die Welt ist größer geworden. Mit seiner Geschichte um Liebe und Freundschaft kehrt Bandixen zurück in die Jahre 1989/1990, als sich der knapp 20-jährige Peter Leversen aufmacht, im östlichen Zembin das neue (Deutsch)-Land zu erkunden.

Bandixens Roman über die Wendezeit erscheint fast ein Vierteljahrhundert später, und er beginnt gemächlich. Im Norden geschehen die Dinge eben langsamer, da ist man ruhiger als im hektischen WestenOsten, oder in den Städten. Heißt es. Dennoch ahnen in jenen Jahren auch die Fedderinger, dass sich im Land etwas geändert hat. Der Dorfpfarrer möchte selbst hinter die Kulissen schauen und organisiert einen Jugendaustausch mit Zembin, und der knapp achtzehnjährige Peter lässt sich für ein paar Monate an der Ostküste nieder, während seine erste Liebe Engellena den Westen erkunden will. Beide waren sich schon einmal begegnet, in einem dritten Land, und hatten sich wohl auch ein wenig ineinander verliebt. Kann das gutgehen? Eine Ost-West-/West-Ost-Beziehung? In dieser Zeit der Veränderung?

Schließlich ist da noch Anna, Peters »Schicksalsgemeinschaft« seit Kindertagen. Engellena wiederum ist »zu Hause« Pierre Gann versprochen. Jedenfalls sieht Pierre das so, und zwingt dem Wessi Peter einen Wettkampf auf, den keiner der beiden Jungen gewinnen kann.

Unabhängig von Ost-West-Differenzen geht das ganz normale Jugendleben weiter. Doch Lanz, Engellenas Bruder, begehrt auf. Unter dem Pseudonym H.F. Kemper erfindet er für westdeutsche Zeitungen Reportagen und wird eines Tages sogar für einen Medienpreis nominiert. Empört sagt Peter sich von seinem Freund los. Er will die Lüge nicht und übersieht dabei, dass auch in der Lüge über »das neue Land« nicht wenig Selbstbetrug steckt ...

Bandixen deutet dies in seinen Charakteren an, bleibt damit zugleich distanziert und authentisch: In einer Zeit des Wandels gibt es eben noch keine fertigen Antworten. Menschen schieben sich ins Bild - Hulle, Janko, Hanne, Openhagen (»wie mit K nur ohne«) - und verschwinden wieder. Die Liebe zwischen Peter und Engellena überlebt die Brüche nicht. Doch verwundert das? In jenem Alter scheint es normal.

»Große Fahne West« ist ein Buch für die Liebhaber der leisen Töne. Vielleicht auch für Leser, die sich eigene Erinnerungen wach halten möchten, ohne (n)ostalgisch zu werden.

Ocke Bandixen:
Große Fahne West. Roman. Osburg Verlag. 286 S., geb., 19,95 €

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