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Kollegen unter sich

Zwei »Clowns« über Witz, Zensur, Distel, Lach- und Schießgesellschaft

  • Matthias Biskupek
  • Lesedauer: 4 Min.

Den einen nannten manche den Dieter Hildebrandt des Ostens, den anderen nannte keiner den Peter Ensikat des Westens. Beides stimmt ohnehin nicht, zeigt aber jene merkwürdige Informationslage: Der Osten wusste schon immer fast alles über den Westen, und der Westen tat sich dicke, wenn er die Worte »Goldbroiler«, »FDJ« und »Digedags« relativ fehlerfrei dem Osten zuordnen konnte.

Wie es Kabarettisten zukommt, ist das Gesprächsbuch zweier Großer ihres Genres beziehungsreich überschrieben. »Wie haben wir gelacht« darf man als erlösenden Ausruf übersetzen - aber auch als wissenschaftlich zu zelebrierende Frage, wenn man das »Wie« schön deutlich spricht.

Dass der Untertitel an Heinrich Böll erinnert, ist insofern bemerkenswert, als dieser Dichter im Personenregister ganz fehlt; da haben die Kollegen Wolfgang Schaller, Werner Schneyder, Erich Kästner und Bert Brecht mit vielen Nennungen die Nase vorn. Gewiss, die Politiker Adenauer und Ulbricht, Honecker und Kohl, Strauß und Hager, Brandt und Bismarck tummeln sich ebenfalls auf vielen Seiten.

Oder sollte man sagen: während vieler Minuten? Denn das Buch ist der Extrakt von Gesprächstonbändern. Im August 2012 trafen sich beide zum Draufloserzählen, der eine grad über siebzig, der andere hatte sein Buch »Nie wieder achtzig!« schon vor gut vier Jahren herausgebracht. Peter Ensikat erlebte nicht mehr, wie aus Frotzeleien und ernsthaftem Nachsinnen dieser Band mit seinem eigenen Motto »Je schwächer das Gedächtnis, desto schöner die Erinnerungen« entstand. Hildebrandt und Ensikat-Sohn David stellten den Band ein halbes Jahr nach Peter Ensikats Tod fertig. Am 20. November ist auch Dieter Hildebrandt gestorben.

Das Buch beginnt so beiläufig wie manche Kabarettprogramme: Soll man nun das eigene Leben erzählen, obwohl man doch fast alle Pointen schon mal von sich gegeben hat? Der Mann aus München, der eigentlich aus Bunzlau stammt und der Mann aus Berlin, der eigentlich aus Finsterwalde kommt, haben doch schon alles gesagt. Auf der Bühne und in dicken Büchern. Und doch ist manches neu, sie fragen einander ja auch gar zu unverschämt aus. Und lächeln gönnerhaft übereinander: Das kannst Du doch gar nicht wissen. Und das willst Du nie gewusst haben!?

Hildebrandt hat vierzehn Jahre Vorsprung und das Erlebnis, noch ganz zum Kriegsschluss dem Führer geschenkt worden zu sein, als Luftwaffenhelfer und NSDAP-Mitglied. Ersteres erduldete er ohnmächtig, von letzterem wusste er nichts, obwohl ihm das die ewigen Saubermänner so wenig glauben wollen wie andererseits Akten immer geglaubt wird. Wenn sie von der Stasi angelegt wurden.

Das hat nun wieder Ensikat dem Älteren voraus: Er kannte beide Systeme von innen und wusste, was Theaterdonner und Bühnenbilder im Sozialismus waren. Dass beide in ihrem Misstrauen gegen Macht und Mächtige, gegen gott- oder politbürogewollte Ordnungen einander ähnlich waren, stellen sie immer wieder fest. Die Erinnerungen an das Gastspiel Hildebrandts mit Werner Schneyder 1987 in Leipzig sind dann doch verschieden. Für die DDR-Kabarettisten war es ein Paukenschlag, von dem sie Erleichterungen für sich erhofften, weil auch die Funktionäre so verständnisvoll lachten. Für den Wessi - und seinen Ösi Schneyder - war es ein beglückendes Gefühl, von Kollegen so gut verstanden zu werden wie selten im Westen. Denn auch für Kabarettisten gilt der alte egoistische Schauspieler-Ruf: Lasst mich den Löwen auch spielen!

Dass zum Witz die Melancholie gehört und das schwarze Loch, in das scheinbar so heitere Gemüter tief fallen können, verschweigen beide nicht. Scheidung, Tod der Partnerin sind dafür Anlass - und lassen erörtern, ob es gut ist, im tiefen Schmerz ein nächstes lustvolles Programm liefern zu müssen.

Das man nicht aus allen Lebenslinien Heldentaten filtern muss - darin sind sich beide einig. Menschen mit großer öffentlicher Klappe können privat recht zurückhaltend sein. Als Hildebrandt von einem Freund erzählt, der zur Nazizeit im Widerstand war, davon aber nie großes Aufhebens machte, setzt Ensikat die Pointe: »Stell dir vor, der Biermann wäre das gewesen. Wir wüssten alles! Wir wüssten mehr, als er getan hat!«

Dieter Hildebrandt, Peter Ensikat:
Wie haben wir gelacht. Ansichten zweier Clowns. Aufbau Verlag. 215 S., geb., 19,99 €

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