Zustände wie in Bangladesch

Tödlicher Brand in einer Textilfabrik in der Toskana wirft Schlaglicht auf Praktiken der chinesischen organisierten Kriminalität

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Textilstadt Prato gibt es, geduldet von den Behörden, viele illegale Fabriken. Die chinesischen Arbeiter schuften unter katastrophalen Bedingungen, die jetzt erste Todesopfer gefordert haben.

In einer Textilfabrik in der Stadt Prato bei Florenz sind am Wochenende bei einem Brand sieben Menschen ums Leben gekommen; zwei weitere wurden schwer verletzt. Sie alle sind Chinesen, die unter absolut menschenunwürdigen Bedingungen und ohne Rechte mitten in Europa arbeiten.

Noch immer liegen auf der Straße vor der Textilfabrik verkohlte Stoffballen, Maschinenteile, Matratzen, Glasscherben und Kisten. In der großen Halle am Stadtrand arbeiteten und lebten Menschen - wie viele, weiß man nicht und wird man wohl auch nie erfahren. Bisher ist niemand ins Krankenhaus gekommen, um die verbrannten Leichen zu identifizieren oder die Verletzten zu besuchen. So wie sie gearbeitet haben, sind sie auch gestorben - in der Illegalität.

Offiziell leben in der 190 000-Einwohner-Stadt Prato 17 000 Chinesen. Tatsächlich dürften es wohl mindestens 40 000 sein. Sie kommen mit einem Touristenvisum, um angeblich Verwandte zu besuchen, und verschwinden dann in einer der vielen Fabrikhallen. Hier arbeiten sie mindestens 15 Stunden pro Tag und schlafen in kleinen Verschlägen aus Kunststoff. Dazwischen befinden sich vollkommen verdreckte Sanitäreinrichtungen und improvisierte Küchen: Mit aller Wahrscheinlichkeit wurde der Brand durch einen defekten Kocher ausgelöst, erklärte die Feuerwehr nach einer ersten Untersuchung. Zu den Überlebenden gehört auch ein etwa vierjähriger Junge, der wohl mit seinen Eltern in der Fabrik gelebt hat. Sofort nach dem Brand verschwand er, wie die anderen Betroffen.

Unbekannt ist auch, wie viele Textilfabriken es in Prato gibt. »Hier ist es wie im Wilden Westen«, sagt Oberstaatsanwalt Piero Tony. »Für wirksame Kontrollen haben wir nicht genügend Mittel. Wenn wir heute eine Fabrikhalle schließen und beschlagnahmen, dann macht die nächste hundert Meter weiter auf.« Die Textilverarbeitung in Prato ist fest in chinesischer Hand. Die Hallen, die meist Italienern gehören, werden von Chinesen angemietet und mit Maschinen eingerichtet, die andere Textilfabriken nicht mehr haben wollen. Die Stoffe stammen meist aus China, werden dann in Prato verarbeitet und kommen schließlich mit dem Prestige-Label »Made in Italy« wieder auf den asiatischen Markt. Manche Produkte landen auch in den vielen chinesischen Billigläden, die in ganz Europa aus dem Boden schießen und in denen besonders in Krisenzeiten nicht nur Chinesen einkaufen. Angeblich werden in den brandgefährlichen und asbestverseuchten Hallen auch Markenprodukte für europäische Kaufhäuser und Boutiquen hergestellt. Das ganze System wird von der chinesischen organisierten Kriminalität verwaltet und kontrolliert, gegen die die örtlichen Behörden offensichtlich machtlos sind.

All das ist in Italien und vor allem in der Toskana, wo es die größte chinesische Gemeinde gibt, lange bekannt. Trotzdem tun jetzt alle Verantwortlichen so, als seien sie überrascht worden und empören sich. »Niemand kann ernsthaft behaupten, dass er nicht weiß, was hier geschieht«, schimpft Emilio Miceli, Vorsitzender der Textilgewerkschaft Filctem-CGIL. »In Prato gibt es wahrscheinlich die höchste Konzentration von brutaler Schwarzarbeit und sogar Sklavenhaltung in Europa.«

Die Präsidentin der Abgeordnetenkammer in Rom, Laura Boldrini, die früher für die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR in Italien verantwortlich war, fordert ein Einschreiten, auch um die Betriebe schützen, die die Menschenrechte respektieren: »Wenn wir jetzt nicht endlich handeln, dann läuft es darauf hinaus, dass wir die negativsten Aspekte der Globalisierung importieren. Solche Tragödien kennen wir aus Südostasien - aber dass es so etwas auch in Italien gibt, ist schwer zu ertragen.«

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