»Mich hätten sie damals auch mitgenommen«
Mit einem Videoprojekt erinnern junge GewerkschafterInnen aus Berlin, Brandenburg und Sachsen an die Nazizeit
nd: Wie ist die Idee zu dem Videoprojekt »Widerstand leisten - zu jeder Zeit und überall!« entstanden?
Schletze-Wischmann: Die IG Metall Jugend Berlin Brandenburg Sachsen hat ihre Tradition im Kampf gegen Nazis. Ob bei Gegendemonstration zu kleineren wie größeren Naziaktivitäten, Unterstützung von Bündnissen und vor allem im Rahmen unserer politischen Bildung stehen wir für eine demokratische Gewerkschaftsbewegung.
Im Kreise unserer aktiven Metaller entstand die Idee, sich im Rahmen des 80. Jahrestags der Zerschlagung der Gewerkschaften mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Zudem sollte etwas Besonderes dazu entstehen. Es sollte eine Botschaft vor allem für die sozialen Netzwerke sein. Wir wollen einfach unseren Kollegen danken, dass sie trotz Verfolgung und Inhaftierung weiterhin Widerstand geleistet haben. Wir wollen ganz klar zum nachdenken und zum kämpfen animieren.
War es schwer, eine Genehmigung für das Drehen der Videos im ehemaligen KZ zu bekommen?
Dank der Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg konnten wir direkt vor Ort drehen und so dem Projekt eine besondere Stimmung geben. Als Recherchegrundlage diente uns das von war das von Siegfried Mielke und Günther Goers im Metropol-Verlag herausgegebene Buch: »Funktionäre des Deutschen Metallarbeiterverbandes im NS-Staat. Widerstand und Verfolgung«.
Warum war der Bezug auf die historischen Widerstandskämpfer für den Kampf gegen Neonazis wichtig?
Es geht um die einfache und leicht verständliche Botschaft, dass wir aktive Gewerkschafter heutzutage, würden die Nazis an die Macht kommen, die Ersten wären, die ihrer Freiheit beraubt würden. Genau wie unsere Kollegen vor 80 Jahren. Wir spitzen es in den Videobeiträgen mit der Aussage zu: »Vor 80 Jahren hätten mich die Nazis auch mitgenommen.« Das Unterschätzen der Nazis und die von Teilen der Gewerkschaften vollzogene Anpassungsstrategie kurz vor der Zerschlagung 1933 haben dazu beigetragen, dass es im Endeffekt so leicht für die Nazis gewesen ist. Wir lernen daraus, dass konsequenter Widerstand der bessere Weg ist.
Es sind junge GewerkschafterInnen, die ihre im NS verfolgten Kolleginnen und Kollegen vorstellen. Gab es mehr Interessenten für die Sprecherrollen, und nach welchen Kriterien wurden sie ausgewählt?
Wir haben uns in einem Seminar ausführlich mit den Hintergründen der Machtergreifung durch die Nazis beschäftigt und mit den Teilnehmern die Videoidee entwickelt, dass jeder einen Paten des DMV (Deutscher Metallarbeiterverband) vorstellt. Da wir mit unserem IG Metall Bezirk drei Bundesländer abdecken, haben wir geschaut, dass wir aus allen drei Bundesländern auch Kollegen vorstellen. Das haben wir dann auch mit den aktiven Metallern verbinden können, so dass nicht nur ein politischer, sondern auch ein lokaler Bezug entstand. Im Endeffekt sind wir Anfang März mit 15 Kollegen nach Oranienburg und haben elf Folgen plus ein Making-of an zwei Tagen drehen können.
Welche Reaktionen gab es bisher auf die Videos?
Nur Positive. Wir freuen uns natürlich, dass wir im gesamten Themenjahr zur Zerschlagung einen eigenen besonderen Beitrag leisten konnten.
Sind Sie nur für junge Leute?
Nein. Der Widerstand gegen Nazis hat keine Altersgrenze!
Wo werden die Videos eingesetzt?
Innerhalb der IG Metall und anderer Gewerkschaften beispielsweise auf den Veranstaltungen zum 1. Mai, auf unserem Youtube-Kanal und auf unserer Facebook-Seite. Nach Rücksprache, können die Clips auch für Veranstaltungen verwendet werden. Wir würden uns beispielsweise über interessierte Schulen freuen.
Sind Nachfolgeprojekte geplant?
Die Herausforderung, dass Geschichte einen Bezug zum heutigen Leben junger Menschen hat und daraus gemeinsam eine politische Botschaft zu entwickeln, nehmen wir auch in Zukunft an.
www.youtube/igmbbs, https://www.facebook.com/IgMetallJugendBerlinBrandenburgSachsen
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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