Dialog und Reibung
»Ostmoderne« im Kunstmuseum Cottbus
Das Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus hat 120 Werke der Malerei, Fotografie und Plakatkunst von 1950 bis 1989 aus seiner Sammlung ausgewählt, die dem Alltag in der DDR gewidmet sind. Bei den ausgestellten Werken haben wir es mit keiner homogenen, auf das »Menschenbild« und den »Realismus« eingeschworenen »DDR-Kunst« zu tun. Sie sind expressiv, surreal, metaphorisch, neusachlich, konstruktivistisch, altmeisterlich lasierend; zunächst noch wertkonservativ, werden sie zusehends experimenteller, sie geben sich geschichtsbewusst und zugleich zivilisationskritisch.
Das thematische Spektrum reicht vom Arbeiterporträt, dem Gruppenbild, Menschen im Arbeitsprozess, in der Stadt, in der Bahn, im Wohn- und Lebensraum, von Punkern, Akten und Liebespaaren über Natur- und Industrielandschaften, Straßenszenen, Ortsbesichtigungen bis hin zu Stillleben, symbolischen und allegorischen Arbeiten und ganz privaten Bildern. Allerdings hätten Leihgaben aus anderen Museen die Präsentation des eigenen Bestandes wesentlich bereichern können. Von der so genannten »Viererbande« (Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer, Werner Tübke, Willi Sitte) ist nur Letzterer mit der gemalten Leibeslust eines »Urlaubers mit Zeitung« (1971) vertreten. Man hätte sich einige Leipziger dazugewünscht, und auch den Jüngeren, die die provozierende Lebendigkeit und subversive Wirksamkeit der nicht-traditionellen Medien in das kritische Konzept der Kunst eingebracht haben, müsste mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Dennoch kann man an den ausgestellten Arbeiten ablesen: In den 50er/60er Jahren lag der Schwerpunkt der Cottbuser Gemäldesammlung auf Arbeitsthemen und auf den Umbrüchen in der Landschaft, bewirkt vor allem durch die Braunkohlenindustrie. In den 70er Jahren sind dann vor allem Alltagsbeobachtungen mit kritischer Perspektive hinzugekommen. Ein veristischer Stil setzt sich durch, aber es gibt auch symbolische Verweise als verfremdenden Bildgestus. Die »Pathosformeln« vom verkündeten Fortschritt werden hinterfragt. Mit den ausgehenden 70er Jahren rückt das künstlerische Subjekt immer mehr ins Bildzentrum. Die Ausstellung macht auf stilistische Ähnlichkeiten mit den »Jungen Wilden« in Westeuropa aufmerksam. Im letzten DDR-Jahrzehnt kann man dann eine Vielfalt experimenteller Ansätze konstatieren. Mit ausdruckssteigernder Farbintensität, Formdefinitionen und radikaler Subjektivität heben sich jetzt die Bildaussagen von der veristischen Sachlichkeit der Vorgänger ab.
Fragen nach Grundsituationen des Lebens werden gestellt. Durchgehend ist das Entfremdungsthema dominant, Konfliktbilder werden immer häufiger, aber die Auseinandersetzungen vollziehen sich doch weitgehend in einer Art »verquälter Reibung« (Diether Schmidt). In die Gesichter sind die Mühen des Alltags eingezeichnet, in die Körper die Zerstörbarkeit menschlichen Lebens eingeschrieben. So vermittelt Doris Ziegler mit den Physiognomien der um einen Tisch versammelten Familienmitglieder in perspektivisch verengtem Raum die Erlebnisdichte eines erfüllten Augenblicks, den man noch lange in Erinnerung behält (Bildnis», 1982). Strenge Farbmodulation, erdhafte Töne, sachlich konstruktive Ordnung des Bildbaus und klassisch ausgewogene, nuancenreiche Farbformen bestimmen dagegen die Bildwelt Harald Metzkes («U-Bahn», 1974). Konrad Knebel wiederum gibt Häuser mit smogzerfressenen Fassaden, schwarzen Fensterlöchern und schwarzem Schmutzfilm wieder («Straße in Karl-Marx-Stadt», 1974). Er hat mit seinen malerischen Meditationen über den Verfall der Stadt das Bewusstsein für deren Identität wachgehalten.
Uwe Pfeifer macht die Gefährdung von Lebenswelten durch eine verheerende Bau- und Umweltpolitik deutlich. Von tristen Bildern der «sozialistischen» Betonquartiere («Durch-gang in Halle-Neustadt», 1971) geht er zu elegisch-romantischen Lobpreisungen unberührter Natur über («Bei Vollmond», 1973). In einer monumentalen, fast pathetischen Figurensprache und mit wuchtig expressivem Farbauftrag thematisiert Trak Wendisch Einsamkeit, Entfremdung und Bedrohtheit («Frau mit Fernseher», 1985/86). Farbklänge und Raumempfindungen, Formkonstellationen und Atmosphärisches sind dem Bild «Live im Keller» (1984) von Johannes Heisig ebenso eingeschrieben wie Gegenständliches und Figürliches.
Auch in der Fotografie von Evelyn Richter, Roger Melis, Sibylle Bergemann, Helga Paris u.a. wird die subjektive Befindlichkeit zum Thema, nachdem vorher vor allem sozialdokumentarisch gearbeitet wurde, die Fotos also ein authentisches (Ab-)Bild des Gezeigten geben. Es sind Bilder, vornehmlich Konfliktsituationen, die Geschichten wie Geschichte der DDR ein- oder festschreiben. Hier waren eigenständige und eigensinnige Akteure am Werk, egal, ob sie sich den Forderungen des Auftrags stellten oder sich querstellten, sie hinterliefen. In ihren künstlerischen Leistungen bleiben sie bestehen.
In den Arbeiten der Ausstellung, die vorher schon in Frankreich gezeigt wurden, wird ein Stück Zeitgeschichte aufgearbeitet. Diese Kunst hat eine Schärfung der Sinne, eine Stärkung des Selbstvertrauens bewirkt. Die Ausstellung gibt Bilanz und Rückblick auf 40 Jahre einer keineswegs abgeschlossenen Kunstlandschaft.
Bildersuchlauf. Ostmoderne aus der Sammlung des dkw. Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus, Uferstr. 15, Di-So 10-18 Uhr, bis 5. Januar 2014. Katalog.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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