Mahnende Worte an syrische Parteien
Lawrow appelliert in Montreux an »historische Verantwortung« / Ban klagt Assad-Regierung an
Die lange erwartete Syrien-Konferenz in Montreux (Genf II) hatte noch lange nicht begonnen, als im Morgengrauen bereits eine lange Schlange von Journalisten anstand, um sich und ihre Ausrüstung durch die Sicherheitssperre zu schleusen. Begrüßt worden waren sie in der frühen Morgenstunde von Anhängern der syrischen Regierung, die syrische Fahnen schwenkten und ihren Präsidenten Baschar al-Assad und seine Frau mit Parolen und auf Fotos hochleben ließen. »Allah, Syrien und Baschar, mehr brauchen wir nicht«, riefen sie wieder und wieder. Kurz darauf stand der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor der evangelisch-lutherischen Kirche, die sich direkt neben dem Montreux-Palast erhebt, in dem die Syrien-Konferenz am Mittwoch eröffnet wurde, Journalisten Rede und Antwort.
Nach der Begrüßung durch den schweizerischen Präsidenten Didier Burkhalter eröffnete UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Redemarathon des Tages mit mahnenden Worten an beide syrische Delegationen, die die Verantwortung für Frieden in ihrem Land trügen. Die größte Verantwortung komme allerdings der syrischen Regierung zu, sagte Ban. Hätte sie auf die Anliegen des Volkes richtig reagiert, wäre die Konferenz nicht nötig geworden. US-Außenminister John Kerry nutzte einen großen Teil seiner Redezeit, um Assad zu beschuldigen. Er sei weltweit vermutlich der »größte Magnet für Terroristen« und habe keine Zukunft in Syrien, das sei »einfach eine Tatsache«.
Auch Steinmeier wies die Hauptverantwortung für den Krieg in Syrien der syrischen Regierung zu, ohne allerdings Assad namentlich zu erwähnen. Gleichzeitig lobte er »die Anstrengungen der Gruppen der syrischen Opposition, gegen die Gruppen von Al Qaida« zu kämpfen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach von einer historischen Verantwortung für Frieden, die jeder der Anwesenden trage. Außenstehende Akteure sollten sich mit Interpretationen zum Ausgang der Gespräche zurückzuhalten, verlangte Lawrow. Den Staaten im Mittleren Osten und in Nordafrika dürften keine Regierungsmodelle übergestülpt werden, die »die Uhr zurückdrehen« würden. Lawrow verwies zudem auf die Lage der Christen, die in Syrien 2000 Jahre friedlich gelebt hätten. Er hoffe, dass innermuslimische Konflikte beigelegt werden, damit der Islam eine gute Rolle in der multipolaren Welt spielen könne.
Der syrische Außenminister Walid Mouallem beschrieb ausführlich die Schrecken, die wahhabitische Söldner über die Zivilbevölkerung gebracht hätten. Sie versuchten, Syrien um tausend Jahre zurückzuwerfen. Mouallem beschuldigte die Nachbarstaaten, insbesondere die Türkei, eine Mitverantwortung an dem Krieg in Syrien zu tragen. Sie hätten ihre Grenzen nicht gegen das Einsickern von Kämpfern und Waffen geschlossen, wie gute Nachbarn es tun sollten. Als er vom UNO-Generalsekretär ermahnt wurde, seine Redezeit einzuhalten, entgegnete Mouallem, nach drei Jahren Leid sei es sein gutes Recht zu sprechen.
Ahmad al-Dscharba, der die Delegation der oppositionellen Nationalen Koalition anführt, nutzte den am Vortag der Konferenz veröffentlichten Bericht über angebliche Folter in syrischen Gefängnissen, um die Verbrechen der syrischen Regierungstruppen mit denen der Nazis zu vergleichen. Assad, den er einen Terroristen nannte, müsse zum Rücktritt gezwungen werden, das sei weiterhin das Ziel seiner Delegation.
Der Präsident der Syrischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, George Jabbour, bezeichnete es im Gespräch mit »nd« als »großen Fehler, dass Iran nicht eingeladen« wurde. Wichtiger aber sei die Teilnahme der oppositionellen Nationalen Koalition, die in Genf zu direkten Gesprächen mit der syrischen Regierungsdelegation kommen müsse. Jabbour kritisierte die Abwesenheit »vieler respektabler Vertreter der syrischen Opposition«. Es sei eindeutig ein Fehler der UNO gewesen, die verschiedenen Gruppen der Opposition nicht zu einem gemeinsamen Vorbereitungstreffen eingeladen zu haben.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.