Weiden für das Klima
Unterschiedliche Haltungs- und Fütterungssysteme haben nicht nur Einfluss auf die Umwelt, sondern auch auf die Wirtschaftlichkeit eines Milchviehbetriebes. Von Susanne Aigner
In Deutschland gibt es rund 4,9 Millionen Milchkühe. Die meisten von ihnen stehen das ganze Jahr über in Ställen auf Beton- und Spaltenböden. Sie werden mit Kraftfutter, meist aus eiweißhaltigem Sojaschrot, gefüttert. Das ist ein Nebenprodukt der Pflanzenölgewinnung aus Sojabohnen. Die werden in großen Mengen aus Südamerika importiert, wo für den Sojaanbau zunehmend Regenwälder abgeholzt werden. Dabei wird nach Ansicht von Experten mehr Kohlendioxid freigesetzt, als die Soja-Monokulturen wieder binden. Die ökologischen Folgekosten beim Sojaanbau werden hierzulande in keiner landwirtschaftlichen Kostenberechnung berücksichtigt.
Dabei muss hochwertiges Kraftfutter nicht zwangsläufig importierte Sojabohnen enthalten. Auch heimischer Rotklee oder Rapsschrot in Verbindung mit hochwertigem Gras und Heu können den Nährstoffbedarf einer Kuh mit einer Jahresmilchleistung von 8000 Liter decken. Wegen der hohen Risiken bei Anbau, Lagerung und Aufbereitung hatten Hülsenfrüchte bei Landwirten lange Zeit einen schlechten Ruf. Doch Körnererbsen, Ackerbohnen, Wicken und Lupinen sind nicht nur ein sinnvoller Bestandteil der Fruchtfolge auf dem Acker, sie können als Futterbestandteil auch preisgünstiger sein als Soja.
Eine Schweizer Studie, die von 2008 bis 2011 die Ökobilanzen der Milchproduktion untersuchte und dabei Stallfütterung und Weidegang verglich, kam zu dem Ergebnis, dass Weidegang rentabler ist als reine Stallhaltung. Bei den Stallkühen verursachten sinkende Milchpreise hohe ökonomische Einbußen. Auch der Maschineneinsatz in der Fütterung und der Einkauf von importiertem Kraftfutter schlugen erheblich zu Buche. Bei den Weidekühen war die Milchleistung im Schnitt mit rund 6000 Liter zwar um ein Viertel geringer, doch lieferten sie von März bis Juli sogar signifikant mehr Milch als Stallkühe. Auch bekamen sie mehr Kälber, deren Verkaufserlöse das Minus bei den Milcherlösen ausglichen. Unter Einsparung des teuren Acker- und Kraftfutters fütterte man saisonale und weniger konservierte Futtermittel. Kombiniert mit ganztägigem Weidegang waren die Weidekühe letztlich kostengünstiger.
Bei den regionalen, angepassten Rinderrassen lassen sich schon allein aus der Fütterung mit einheimischem Heu und Gras beachtliche Milchleistungen erzielen. Von Mitte April bis Anfang Juni wächst auf den Weiden das meiste Gras, nämlich im Schnitt 95 kg Trockenmasse je Hektar und Tag. 18 Kilo frisst eine Kuh täglich. Rechnerisch können also auf jedem Hektar Grasland ganztägig rund fünf Kühe weiden. Bei nachlassendem Aufwuchs im Herbst sowie auf ungedüngten Bioweiden ist entweder mehr Weidefläche nötig oder die tägliche Weidezeit muss reduziert werden.
In Deutschland eignen sich robuste Rassen wie Rotes Höhenvieh in den Mittelgebirgslagen und Schwarzbuntes Niederungsrind im Tiefland für ganztägige Weidehaltung von April bis Oktober. Bei zehn bis zwölf Lebensjahren können sie mit einer Lebensleistung von 50 000 bis 60 000 Liter Milch mit den krankheitsanfälligen 10 000-Liter-Stallkühen sehr wohl konkurrieren. Der ständige Aufenthalt im Freien stärkt das Immunsystem, so dass die Tiere auch kaum krank sind. Das spart die Kosten für den Tierarzt. Zwar gibt eine Weidekuh weniger Milch, wenn sie nur Gras frisst. Doch ist die Milch wegen der gesunden Gräser und Kräuter mit qualitativ hochwertigen Inhaltsstoffen angereichert. Zudem zeigt die Schweizer Studie, dass höhere Milchleistungen nicht automatisch mehr Geld bedeuten. Denn ein Zuviel an Milch drückt die Preise am Milchmarkt, sodass die reine Milchkuhhaltung mit Hochleistungskühen schnell unrentabel wird.
Und überdies gibt eine Kuh mit geringerer Milchleistung weniger Methan ab. Eine Hochleistungskuh mit sehr hoher Futteraufnahme kommt laut Winfried Drochner vom Institut für Tierernährung der Universität Hohenheim auf täglich rund 400 Gramm Methan, eine Kuh mit relativ geringer Leistung und geringem Futterverbrauch nur auf 80 Gramm. Berücksichtigt man die eingangs benannte schlechte Klimabilanz der Kraftfutterherstellung, macht das die Kuh auf der Weide unterm Strich umweltfreundlicher als jedes optimierte Stallfutter.
2011 lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Frischmilcherzeugnissen in Deutschland bei 90 Kilo, der von Fleisch im Jahr 2012 bei 87 kg. Die Zahlen zeigen, dass ein verringerter Konsum an Fleisch- und Milcherzeugnissen und die Entscheidung für solche Lebensmittel, die von Rindern aus Weidehaltung stammen, sowohl dem Wohl der Tiere als auch dem Klima zugute kämen. Gesünder für die Menschen wäre es ohnehin.
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