Das große Unterfangen
»nd im Club«: Buchpremiere für »Der Friede im Osten. Letztes Buch« von Erik Neutsch
Den zahlreichen begeisterten Lesern im Haus am Franz-Mehring-Platz am Mittwochabend musste Eberhard Panitz das Buch signieren. Er, der mit Erik Neutsch lange schon eng befreundet war und dessen Schaffen verfolgte und dessen Schreibintentionen genau kannte, hat dem Roman sozusagen den letzten Schliff gegeben, nachdem der Autor am 20. August vorigen Jahres gestorben war. Noch an seinem letzten Tag hat Erik Neutsch an diesem fünften Buch seines Romanepos »Der Friede im Osten« gearbeitet. Und er hatte sogar noch ein sechstes geplant, das bis zum Ende der DDR reichen sollte.
»Es gibt in der DDR-Literatur nichts Vergleichbares«, so Eberhard Panitz über dieses monumentale Werk, das mit dem Ende des Krieges begann und mit seinem Titel »Der Friede im Osten« nicht nur eine Sehnsucht ausdrückte, sondern auch den festen Glauben, »dass der Friede sicher, dass der Weg, den wir gingen, unumkehrbar war«. Hinzu kam Erik Neutschs Überzeugung, dass es die Arbeit ist, die dem Menschen Substanz gibt. Die Nähe zu arbeitenden Menschen, denen er mit seinen Büchern auch verständlich sein wollte, hat sein Schreiben von Anfang an geprägt. »Geschichten von Menschen im Lärm großer gesellschaftlicher Prozesse oder in der Stille der Einsamkeit« wollte er, so Eberhard Panitz in eine »gut lesbare, volksverbundene Prosa« bringen.
In seinem nun posthum erschienenen Buch erzählt Erik Neutsch weiter von Achim Steinhauer, der inzwischen in der mikrobiologischen Forschung tätig ist und außerdem als Schriftsteller Erfolg hat, wobei er auch manchmal in Konflikte gerät. Da kamen dem Schreibenden besonders die Querelen um die Verfilmung seines eigenen Romans »Spur der Steine« in Erinnerung. Den hat er hier unter dem Titel »Grimm« verfremdet, wie er in seinem Buch überhaupt Authentisches mit Fiktivem verknüpft.
Die Schauspielerin Renate Richter las Szenen aus Neutschs Roman, in denen er die Dreharbeiten des Films »Grimm« und die Diskussionen zunächst unter den Machern, dann mit dem damaligen Kulturminister Klaus Gysi beschreibt. Wobei dieser lediglich Einsprüche aus dem Politbüro auf seine Kappe zu nehmen versuchte und sich nicht auf Diskussionen mit den Künstlern einlassen konnte. Der Film (Regie Frank Beyer, mit Manfred Krug in der Hauptrolle) wurde 1966 während der 8. Arbeiterfestspiele der DDR in Potsdam uraufgeführt, lief wenige Tage in einigen Kinos und wurde dann aus dem Programm genommen.
Wie kann das sein, fragte eine Besucherin aus Westberlin in der anschließenden Diskussion mit Eberhard Panitz. Könne ihr jemand einmal genau erklären, was die DDR-Obrigkeit so an diesem Film gestört habe? - Heute ist das wohl wirklich kaum mehr zu verstehen, auch wenn man das schwierige Verhältnis zwischen Kunst und Ideologie in der DDR erklärt. Letztere bezeichnete sich selbst als solche und wollte sich der Kunst bedienen, welche wiederum auf ihrem Eigenwert bestand. Jeder Künstler tat das auf seine Weise, und Erik Neutsch hatte immer einen eigenwilligen Kopf.
Irgendwann hatte er den Slogan vom »realen Sozialismus« satt, so Eberhard Panitz, wünschte sich, man möge sich den »idealen Sozialismus« wieder auf die Fahnen schreiben. Mit Bitterkeit habe er die Reconquista durch den Kapitalismus registriert. »Friede im Osten« - vor vierzig Jahren sei er dabei gewesen, als Erik Neutsch den ersten Band in Moskau vorstellte. Welch bitteren Beiklang bekommt der Titel heute, wenn man nach Osten blickt.
Erik Neutsch: Der Friede im Osten. Letztes Buch. Eulenspiegel Verlagsgruppe. 480 ., geb., 24,99 €. Bestellungen auch über nd-Bücherservice, Tel.: 030 2978 1777
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