Der FC Bayern kämpft mit sich selbst

Späte Münchner Tore beim 6:1 gegen Wolfsburg, vorauseilendes Urteil über Uli Hoeneß

Schlechte Nachrichten kommen bei den Bayern nicht vom Feld - sondern höchstens aus dem Gerichtssaal. Am Donnerstag wird das Urteil über Uli Hoeneß erwartet.

Die schwierigsten Schlachten führt der FC Bayern gerade mit sich selbst. Auf dem Spielfeld sind die Münchner ihr gefährlichster Gegner. Als sie am Sonnabend nach etwa einer Stunde Spielzeit eines der elementarsten Elemente des Fußballs, die Zweikampfstärke, endlich in die Partie einbrachten, schossen sie noch fünf Tore und gewannen 6:1 beim VfL Wolfsburg. Es war der 16. Ligasieg in Folge mit einem Torverhältnis von 57:8, seit nunmehr 49 Bundesliga-Partien sind die Münchner ungeschlagen.

Die öffentliche Wahrnehmung und Wertschätzung des FC Bayern könnte fast nicht besser sein. Aber da ist ja noch dieser Prozess gegen seinen Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden. Ab heute muss sich Uli Hoeneß am Landgericht München II wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe verantworten, die Staatsanwaltschaft hatte im Juli Anklage erhoben. Der Verein schweigt erst mal - bis zur Urteilsverkündung. Der Aufsichtsrat des Klubs hatte sein eigenes Urteil vorauseilend schon im November gefällt: »Das Gesetz kenne für Mitglieder des Aufsichtsrats kein Amtsverbot wegen einer strafrechtlichen Verurteilung.«

Nach seiner Selbstanzeige und einem kurzen Moment der Reue wollte Uli Hoeneß aber eines klarstellen: »Ich bin kein schlechter Mensch.« Und das weiß die große Bayern-Familie eben. Zu ihr gehört seit acht Monaten auch Pep Guardiola. Der Trainer hat ebenfalls nichts zum bevorstehenden Prozess gesagt, zum Gutmenschen Hoeneß schon: »Er ist ein Freund und wird es immer bleiben.«

Dass Guardiola derlei Verfehlungen einfach sympathisch weglächelt, liegt vielleicht an seiner Herkunft. »Hacer negocios«, »Geschäfte machen«, gehört unter spanischen Klubbossen zum guten Ton. Erst am vergangenen Mittwoch trat José Mará del Nido eine siebenjährige Haftstrafe an, Betrug und Korruption brachten den Anwalt hinter Gitter. Elf Jahre war er Präsident des FC Sevilla, zudem auch Vorstandsmitglied des spanischen Fußballverbandes und Rechtsberater des Ligaverbandes. Am 23. Januar war Sandro Rosell als Präsident von Guardiolas Ex-Verein FC Barcelona zurückgetreten. Einen Tag zuvor waren Ermittlungen wegen Unterschlagung in Millionenhöhe beim Transfer des Brasilianers Neymar gegen ihn eingeleitet worden.

Der FC Bayern befindet sich also in bester Gesellschaft. Sportlich steht er an deren Spitze. Guardiola lässt die Mannschaft noch entzückender spielen als sein Vorgänger Jupp Heynckes. Am Sonnabend in Wolfsburg zwar nur eine halbe Stunde lang, die aber hatte es in sich. Fünf Tore in 22 Minuten, alle, wie üblich, fein herausgespielt: über links, über rechts und durch die Mitte. »Wir haben eben viele Spieler, die Tore schießen können, und viele Spieler, die Tore vorbereiten können«, sagte Arjen Robben gut gelaunt. Je zweimal Thomas Müller (63. Minute/78.) und Mario Mandzukic (66./80.) sowie Franck Ribéry (71.) hatten ein Spiel entschieden, das lange Zeit ausgeglichen war.

Die Grundlage des Sieges waren aber nicht geniale Pässe oder trickreiche Dribblings. Es war die späte Erkenntnis, dass man die Zweikämpfe gewinnen muss. Der Kunst geht der Kampf voraus. Guardiola hatte in der 56. Minute Thiago Alcántara eingewechselt - und mit ihm den Sieg. Er riss die Mannschaft mit und war mit 80 Prozent gewonnenen Zweikämpfen Bayerns Bester, das wichtige 2:1 bereitete er zudem mit einem Traumpass vor.

In der ersten Halbzeit hatten die Münchner 70 Prozent Ballbesitz, die Wolfsburger gewannen aber fast zwei Drittel der Zweikämpfe - am Spielende war letztere Statistik ausgeglichen. Der VfL hatte bis zur 60. Minute mehr und bessere Torchancen als die Münchner. Die Führung durch Naldo (17.) nach einer Ecke war verdient. Der Ausgleich neun Minuten später durch Xherdan Shaqiri kam fast etwas überraschend. Der VfL lieferte mit viel Leidenschaft und Laufbereitschaft durchaus ein Beispiel, wie man dem FC Bayern beikommen könnte. Letztlich aber nur so lange, bis die Münchner begriffen hatten, dass sie auch arbeiten müssen, bevor sie genießen dürfen.

Einen derart nachlässigen Eindruck hat der FC Bayern bislang kaum gezeigt. »Ich denke vor jedem Spiel daran, dass wir verlieren können. Das ist die beste Art, uns auf den Gegner vorzubereiten«, gestand Guardiola. Den kommenden Gegner kenne er sehr gut, sagte er noch. Das ist am Dienstag Arsenal London im Achtelfinalrückspiel der Champions League. Die Münchner gehen mit einem 2:0-Vorsprung aus dem Hinspiel in die Partie. Schlechte Nachrichten sind also vermutlich erst am Donnerstag zu erwarten. Dann soll das Urteil über Uli Hoeneß gefällt werden.

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