Der Zauberer vom SC Lorbeer
Vor 80 Jahren starb der Hamburger Arbeitersportler August Postler in einem Nazi-Gefängnis
Es war eine ganz besondere Mannschaft, die sich da im Hamburger Arbeiterstadtteil Rothenburgsort zusammengefunden hatte. 1906 war sie aus einer »wilden« Schlagballmannschaft entstanden und hatte sich erst nach dem Tod vieler Spieler im Ersten Weltkrieg dem Fußball zugewandt. 1922 wurde der SC Lorbeer 06 erstmals Hamburger Meister, dann Meister des Arbeiter-Turn- und Sportbundes (ATSB). Der wohl bekannteste Spieler war August Postler.
Nach dem vierten Titel 1928, dem auch die norddeutsche »Kreismeisterschaft« folgte, machte sich das Team mit Siegen gegen Hansa Kiel, Fichte Bielefeld und den FTSV Weiden dann auf den Weg zur Bundesmeisterschaft des ATSB. Angefangen beim arbeitslosen Klempnerhelfer Adolf Frehse im Tor, über den jungen Hafenarbeiter Erwin Seeler als Mittelstürmer bis zum Elektriker Postler als Rechtsaußen, brachte die Mannschaft Hamburger Fußballanhänger noch Jahrzehnte später zum Schwärmen.
Erst 22 Jahre alt war Postler, als er 1929 mit den »Blau-Weißen« im ATSB-Meisterschaftsendspiel stand. Mit einem 5:4 gegen die FT Döbern (Niederlausitz) sicherte sich Lorbeer den ersten Titel, frenetisch gefeiert von 15 000 Fans im Hamburger Stadion Hoheluft. Heute ist kaum mehr vorstellbar, welch enorme Anziehungskraft der Arbeitersport in den 1920er Jahren hatte. Fast 1,5 Millionen Mitglieder, darunter allein 8000 Fußballmannschaften, zählte der ATSB zu seinen besten Zeiten. Man unterhielt eigene Wettbewerbe und Ligen-Systeme. In Abgrenzung zur »blöden Anhimmelung von Sportskanonen« in bürgerlichen Vereinen, sollte hier das Kollektiv im Vordergrund, der einzelne Sportler im Dienst von Verein und Mannschaft stehen.
Kaum jemand verkörperte das so überzeugend wie August Postler: Während sein Sturmpartner »Old Erwin« Seeler den finanziellen Verlockungen erlag und unter scharfen Protesten der Arbeiterpresse zum bürgerlichen SC Victoria wechselte, blieb Postler dem SC Lorbeer und seinem Stadtteil treu. Dass es dennoch zum Bruch kam, war der politischen Spaltung der Arbeiterbewegung geschuldet: Der ATSB bekannte sich mehr oder minder offen zur SPD, KPD-nahe Sportler gründeten 1930 die »Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit« (kurz: »Rotsport«), der sich auch Postler verbunden fühlte. Weil er Anfang 1932 ohne Genehmigung des Vereins mit einem Lorbeer-Team gegen Bergedorfer Kommunisten antrat, wurde er schließlich mit 14 weiteren Spielern aus dem ATSB verbannt. Nur wenig später wurde er in die Auswahl des »Rotsport« berufen. Er nahm noch an einer dreimonatigen Länderspielreise durch die Sowjetunion teil, spielte vor 50 000 Menschen in Moskau gegen die Nationalmannschaft der UdSSR. Doch als die Auswahl am 17. November 1932 die deutsche Grenze passierte, wurde sie schon von einem starken Polizeiaufgebot erwartet - ein Vorgeschmack auf die Machtübernahme der Nationalsozialisten.
Im Februar 1933 wurde der »Rotsport« zerschlagen, am 30. April folgte das Verbot des ATSB. Während zahlreiche Funktionäre verhaftet und die Spieler in bürgerliche Vereine gezwungen wurden, ging August Postler in den Widerstand. Die Wohnung seiner Eltern diente Hamburger Kommunisten als Treffpunkt, hier wurde unter anderem die nun illegale Zeitung »Roter Nordsport« hergestellt. Im Herbst 1933 flog die Gruppe auf, August Postler wurde verhaftet und wenig später wegen »hochverräterischer Umtriebe« zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt.
Die folgende Haft in Hamburg-Fuhlsbüttel überlebte er nicht. Nach schweren Misshandlungen wurde Postler am 8. Dezember in das Gefängnislazarett eingeliefert, wo er am 14. März 1934 starb - wohl auch an Unterernährung. An ihn erinnert heute ein Stolperstein und ein jährliches Fußballturnier. Der SC Lorbeer 06 wurde nach dem Krieg wiedergegründet, an seine früheren Erfolge aber konnte er nie wieder anknüpfen.
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