Viel Wind um alles
HAU: Damian Rebgetz’ Musikstück mit Ventilatoren
In Australien, erfährt man in Damian Rebgetz’ «Something for the Fans», ist das Klima heiß und daher sind die Gebäude mit Ventilatoren vollgestellt. Das kalte Berlin hingegen ist voller Wärmemaschinen. Windmacher kann man in Rudow erstehen. In diesen südlichen Stadtteil, der für den Australier Rebgetz wie ein Stück heile ländliche Heimat anmutet, zieht es ihn, um dem plötzlichen Ventilatorenmangel, der ihn umgibt, ein Ende zu bereiten.
Rebgetz outet sich selbst als Ventilator-Fan, was im Englischen, in dem Ventilator «Fan» heißt, für ein neckisches Wortspiel sorgt. Zu diesem ist der auf der Bühne leicht verwirrt wirkende junge Mensch vor allem wegen des Klangs der surrenden Rotorenflügel geworden. Mit diesen, großen und kleinen, aus einstmaligen VEB-Beständen und auch von kapitalistischer Provinienz, kreiert er Klänge, indem er Mikrofone nah an sie heranführt und auch die Vibrationen der Gehäuse in Melodien überführt. Ordentlich verstärkt brechen wahre Tornados aus den Zimmerwindmachern heraus. Das ist ein wundersamer Effekt.
Rebgetz setzt aber nicht nur darauf - was eigentlich schade ist, denn eine Sinfonie aus unterschiedlich drehenden Rotoren und mit wechselnden Abständen der Mikrofone wäre durchaus ein Ereignis gewesen. Aber den australischen Soundkünstler und Performer überkommt auch noch ein Sendungsfuror. Er möchte dem Publikum die Konzepte der Acoustic Ecology des Soundscape-Erfinders R. Murray Schafer nahe bringen. Dafür darf man in einer Art Aufwärmtraining die eigenen Ohren mit den Händen sensibilisieren.
In einer weiteren Performance-Ebene transformiert er den Kult um rauschende Ventilatoren - gemeinsam mit einem Freiwilligen aus dem Publikum - in einen Liebes- und Beziehungsverstärker. Reden über Ventilatoren kann offensichtlich verbinden; bei zu häufigem Reden treten aber auch die Unterschiede zutage und können zu Enttäuschung und Entfremdung führen. Mit lässiger Hand führt Rebgetz hier in das Nähe- und Distanz-Problem von Beziehungen anhand des Redens über Ventilatoren ein.
Dies bezaubert, irgendwie. Unmerklich fast entwickelt der Windmacher-Diskurs eine Anziehungskraft. Man wird hineingesogen, findet wesentliche Weltzusammenhänge im Kontext der Beziehung zu Ventilatoren gespiegelt - und wird am Ende in einen starken Luftstrom getaucht, der einem die Flüchtigkeit, aber auch die Leichtigkeit alles Seienden in Erinnerung ruft.
Sind alle Ventilatoren wieder ausgeschaltet, fragt man sich verdutzt, was einen eben noch so umgarnt hat. Selbst wenn dann ein Anflug von Enttäuschung sich aufs Gemüt legt, so bleibt doch die Erfahrung, etwas Berührendem beigewohnt zu haben. Rebgetz ist ein Magier mit banalen Industrieprodukten und nicht zu Unrecht beim hochkarätigen - und in seiner Existenz bedrohten - Festival Impulse eingeladen. Bis Sonntag lässt er im HAU die Rotoren kreisen.
Damian Rebgetz, Something for the Fans«, Sa 19, So 17 Uhr, HAU3
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