Rettung einer Ehre

Zum Welttheatertag I

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Heute ist Welttheatertag - aber es ist nicht der Tag derer, die gern und groß Theater machen. Es ist der Tag der Gaukler - womit ein anderer Beruf gemeint ist als die Tätigkeit jener, die uns fortwährend etwas vorgaukeln. Politiker. Die sich zweckdienlich verstellen, etwa weil es ein Fraktionszwang so will oder irgend eine andere Einsicht in angebliche Notwendigkeiten. Solche Praxis hat dem Leumund des Politikers schmähliche Trübung zugefügt - aber es bleibt eine Unverschämtheit, diese Leute deshalb als Schauspieler zu betiteln. Ein Wort, das mehr und mehr benutzt wird, um einer gewissen Verachtung treffenden Ausdruck zu verleihen. Ehrenrettung der Komödianten tut not, wann, wenn nicht heute!

Wer sich nur gut verstellen kann, aus dem wird höchstens ein mittelmäßiger Schauspieler. Wahre Schauspielkunst ist Verwandlung, nicht Verstellung. Spielen bedeutet: in der Maske einer fremden Gestalt die ehrliche Offenlegung dessen, was man selber ist. Masken sind nur das Hilfs-Mittel, hinter dem Schauspielende ungeschminkt des Menschen Kern präsentieren. Mit ihrem Körper, mit all dem, was ihnen die Natur gab. Das ist doch weit weg vom modern gewordenen Grundtyp des Politikers - sieht man den in Aktion, will man doch sofort mitleidend und zu seinen Gunsten annehmen, dass dies nicht alles sei, was ihm die Natur mitgab. Und in welcher Rede offenbart sich denn wirklich der Kern dessen, der diese Rede hält? Nein, Politik ist nicht Schauspiel, sie stellt nur gern zur Schau. Mal den Patriotismus, mal die Einheit und Geschlossenheit, hier die Standpunktfestigkeit, dort Wahrheitsliebe, heute den Kampfeswillen, immer die Siegeskraft. Lauter abgeklapperte Dinge. Dauerndes Championat im Eintagsfliegengewicht - wirklich schwerwiegend.

Zum guten Schauspieler führt einzig der Mut, die eigenen Unsicherheiten, das eigene Anfechtbare, den eigenen Abgrund aberwitzig auf die Bretter zu werfen. Politik aber bietet keine Dramen, es prallen keine Welten aufeinander; keiner ein König, der dem Narren in sich Leine lässt; keiner ein Narr, der einen König aus sich zu machen weiß.

Warum auch? Jeder Eigensinn käme irgendwann in Konflikt mit der Parteidisziplin. Politischer Auftritt ist, wenn er Eigensinn vorgibt, in vielen Fällen die blanke Fälschung. Politiker werden heißt in der Regel: geglättet werden. Die Glättung soll sich natürlich trotzdem Individualität nennen dürfen. Deshalb haben Politiker mediale Berater. Das sind die lächerlichsten, blamabelsten Kopien jener ehrenwerten Maskenbildnerei, wie sie das Theater hat: Diese Style-Stümper »kreieren« für Rednerpulte und Wahlkampfstände einen Individualismus - von der Stange. Selbst das Bunteste, das im Geschäft der Politik dick aufgetragen wird, bastelt mit daran, dass die Masse der politisch Entfärbten nur noch blasser wird.

Es lebe der Welttheatertag. Auf und vor und hinter allen Bühnen: Tag der Clowns, nicht der Pappnasen.

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