Versicherte zahlen drauf
Arbeitgeber sollen nach einem neuen Gesetzentwurf von steigende Gesundheitskosten verschont bleiben
Passiert der gestern im Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf zur Reform der gesetzlichen Krankenkassen das parlamentarische Verfahren im Bundestag wie geplant, könnte es für einige Versicherte schnell teuer werden, für andere vielleicht erst in einigen Jahren. Dass alle irgendwann tiefer ins Portemonnaie greifen müssen, gilt als sicher.
Ab 2015 sollen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr wie bisher 15,5 Prozent vom Einkommen eines Versicherten betragen, sondern nur noch 14,6 Prozent. Arbeitnehmer zahlen davon künftig nicht mehr 8,2 Prozent wie bisher, sondern ebenfalls nur noch 7,3 Prozent wie die Arbeitgeber. Letztere dürfen sich allerdings sicher sein, dass ihr Anteil nicht mehr steigen kann - egal wie teuer die Gesundheitsversorgung auch immer werden wird. Die Arbeitnehmer hingegen sind per Gesetz dazu auserkoren, sämtliche Steigerungen über Zusatzbeiträge zu finanzieren. Der einzige Vorteil: Die Zusatzbeiträge sollen künftig nicht wie bisher pauschal erhoben werden, sondern sich nach dem Einkommen des Versicherten richten. Was diesen heute an Beiträgen erlassen wird, dürfte man ihnen aber spätestens morgen oder übermorgen wieder nehmen, Tendenz steigend.
Nahezu sämtliche Experten rechnen mit deutlichen Ausgabenzuwächsen der Krankenkassen. Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem sagte der Nachrichtenagentur dpa: »Ich gehe davon aus, dass der Zusatzbeitrag ab 2016 im Schnitt jedes Jahr um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte steigen wird.« Manche Kassen könnten dies durch Rücklagen abfedern. »Für 2017 rechne ich mit Zusatzbeiträgen von 1,3 bis 1,5 Prozent.« Das Bundesversicherungsamt geht sogar von noch höheren Beträgen aus. Wie auch immer der Betrag ausfallen wird - von einer paritätischen Finanzierung der Gesundheitsversorgung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber kann nicht mehr gesprochen werden, oder wie es die grüne Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeinck formuliert: »Die Zeche zahlen die Versicherten«. Die SPD als Verfechterin einer Bürgerversicherung hatte ja an dieser Stelle bereits bei der Verabschiedung des Koalitionsvertrages klein bei gegeben und kommentierte die Festschreibung der Arbeitgeberbeiträge als »schmerzlich«, aber nicht für alle Zeiten gültig, wie Hilde Mattheis sagte. Harald Weinberg von der LINKEN-Fraktion im Bundestag warnt: »Es wird nicht einmal bis zum Ende der Wahlperiode dauern, bis auch die Millionen, die am Anfang entlastet werden, einen höheren Beitrag zahlen müssen als die derzeitigen 15,5 Prozent.« Das verschweige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).
Gröhe selbst erklärte, er wolle nicht, »dass eskalierende Lohnnebenkosten Arbeitsplätze vernichten und damit die Grundlage eines solidarischen Gesundheitswesens untergraben«. Wie solidarisch aber ist ein System noch, dass auf Seiten der Versicherten nicht einmal mehr eine persönliche Belastungsgrenze für den Beitragsanstieg vorsieht? Der allzu vordergründige Schutz der Arbeitgeber vor wachsenden Kosten ermutigte gestern sogar Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU), gleich noch den Schutz ihres ganzen Landes zu verlangen, denn es flössen schließlich von dort hohe Beitragsgelder ab.
Die Krankenkassen selbst verpacken ihre Kritik in ein Lob über die Rückgewinnung der Beitragsautonomie. Kritisch sehen sie die Festschreibung des allgemeinen paritätisch finanzierten Beitragssatzes von 14,6 Prozent. »Für künftige Ausgabensteigerungen müssen dann allein die Versicherten aufkommen«, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende der Ersatzkassen, und forderte Anpassungsmechanismen.
Außerdem will die Bundesregierung ein neues Institut gründen, das die Qualität der Krankenhäuser messen soll. Kliniken mit guten Behandlungsergebnissen sollen besser bezahlt werden, schlechte sollen Abschläge hinnehmen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft lehnte das ab. Kassen-Verbandschefin Doris Pfeiffer forderte, das Verfahren auf niedergelassene Ärzte auszudehnen.
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