5400 Piloten kämpfen für Frührente
Heute beginnt dreitägiger Streik der Lufthansa-Kapitäne / 65 Maschinen blieben bereits am Dienstag am Boden
Nach den Warnstreiks in der vergangenen Woche steht den Flughäfen ab heute wieder ein Ausstand bevor. Dieses Mal ist es nicht das Bodenpersonal, das seine Arbeit niederlegt, sondern die Piloten der Lufthansa wollen sich nicht hinters Steuer setzen. Drei Tage soll der Streik der rund 5400 Kapitäne und Copiloten andauern, und die Lufthansa hat sich bereits vorbereitet: Schon am Montag strich sie für diese Woche rund 3800 Verbindungen. Betroffen sind den Angaben zufolge rund 425 000 Passagiere. In der engeren Streikzeit von Mittwoch bis Freitag sollen nur noch rund 500 kürzere Flüge stattfinden können.
Bereits am Dienstag sorgte die Streikankündigung für Flugausfälle: Die Fluggesellschaft strich nach eigenen Angaben am Dienstag rund 65 Verbindungen, um zu vermeiden, dass Passagiere an Flughäfen stranden, wenn sie aufgrund der Streiks ab Mittwoch keinen Anschlussflug bekommen könnten.
Vier Gewerkschaften vertreten die Interessen der Beschäftigten in der Branche:
ver.di: Die Dienstleistungsgewerkschaft vertritt unter anderem das Kabinenpersonal, Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste sowie Tarifbeschäftigte der Bodenverkehrsdienste, der Frachtabfertigung und der Passagierkontrollen der einstmals öffentlichen Flughafenbetreiber.
Vereinigung Cockpit (VC): Der »Verband der Verkehrsflugzeugführer und Flugingenieure in Deutschland« setzt sich für die Interessen von rund 9300 Cockpit-Besatzungsmitgliedern aus allen deutschen Airlines und von Verkehrshubschrauberführern ein.
Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF): Zu den rund 3900 Mitgliedern gehören Lotsen in den Towern, bei der militärischen Flugsicherung und bei den Vorfeldkontrollen.
Unabhängige Flugbegleiter Organisation (Ufo): Nach eigenen Angaben ist sie in Deutschland die einzige Gewerkschaft, die sich ausschließlich für das fliegende Kabinenpersonal verschiedener Airlines einsetzt. Die Ufo hat mehr als 10 000 Mitglieder. dpa/nd
Viele Passagiere buchten am Dienstag ihre Verbindungen um. Die Lufthansa bietet Umbuchungen auf andere Termine, die Bahn und andere Fluggesellschaften an. Auch die nicht bestreikten Konzerntöchter Swiss und Austrian bringen ein wenig Entlastung, indem sie auf den von ihnen bedienten Hauptstrecken etwa von Wien und Zürich nach Frankfurt am Main größere Flugzeuge einsetzen. Die Bahn hält Reservezüge samt Personal an wichtigen Bahnhöfen bereit. Wie ein Sprecher am Dienstag sagte, sind je nach Wochentag ein bis zwei Dutzend IC- und ICE-Züge dafür frei. Der Streik kostet Lufthansa nach Schätzungen pro Tag einen zweistelligen Millionenbetrag.
Die Vereinigung Cockpit (VC) fordert knapp zehn Prozent Lohnerhöhung. Streikanlass sind allerdings von Lufthansa einseitig gekündigte Übergangsrenten, die den Piloten bisher ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf ermöglichten.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Arnold Vaatz, kritisierte den Streik in der »Rheinischen Post«. Er forderte eine Gesetzesänderung, die dafür sorge, dass auch in Tarifkonflikten die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe. Der LINKE-Vorsitzende Bernd Riexinger sagte dem »Handelsblatt«: »Wer die Axt ans Streikrecht legt, legt die Axt ans Grundgesetz.«
Die Piloten gehören im Lufthansa-Konzern zu den Spitzenverdienern. Das Einstiegsgehalt liegt bei 55 000 Euro plus Zulagen, etwa für Mehr-, Wochenend- und Nachtarbeit. Durch die tariflich vereinbarten Gehaltsstufen verdient ein Kapitän mit 55 Jahren somit rund 255 000 Euro. Vor mehreren Jahren einigte sich die Lufthansa mit den Piloten tarifvertraglich darauf, dass diese bereits mit 60 Jahren das Fliegen aufgeben. Frühestens konnte ein Pilot mit 55 aufhören zu fliegen.
Die Übergangsversorgung sieht vor, dass den Piloten ein Teil des Gehalts bis zum frühesten gesetzlichen Renteneintrittsalter von 63 Jahren weitergezahlt wird. Für einige Jahre erhalten sie bis zu 60 Prozent des Bruttogehalts, ohne arbeiten zu müssen - eine Art Frührente von über 100 000 Euro im Jahr. In ihrer Bilanz hat die Fluggesellschaft rund 2,4 Milliarden Euro für die Übergangsversorgung der Piloten und des Kabinenpersonals zurückgestellt. Einige Piloten klagten jedoch gegen die Altershöchstgrenze, da sie länger fliegen wollten - und bekamen Recht.
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